Harry Mulisch : Das Attentat

Das Attentat
Manuskript: Januar - Juli 1982 Originalausgabe: De aanslag, Amsterdam 1982 Das Attentat Übersetzung: Annelen Habers Carl Hanser Verlag, München 1986 Süddeutsche Zeitung / Bibliothek, Band 19, München 2004ISBN 3-937793-45-3, 205 Seiten Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek 2010 ISBN 978-3-499-22797-4, 189 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Ein 12-jähriger niederländischer Junge überlebt 1945 als Einziger seiner Familie eine Vergeltungsaktion der Deutschen. Anton Steenwijk studiert Medizin, wird Anästhesist, interessiert sich nicht für Politik und will auch nichts über die damalige Zeit hören – bis ihm bewusst wird, wie die traumatischen Erlebnisse sein Leben beeinflussen ...
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Kritik

Harry Mulisch ist es gelungen, ein ernstes und wichtiges Thema in die Form eines facettenreichen, spannenden und erschütternden Romans zu kleiden: "Das Attentat".
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Der zwölfjährige Anton Emanuel Willem Steenwijk lebt mit seinem Vater Willem, einem achtundvierzig Jahre alten Justizbeamten beim Landgericht Haarlem, seiner Mutter Thea und seinem fünf Jahre älteren Bruder Peter in einer aus vier Häusern bestehenden Siedlung am Rand von Haarlem. Zu ihren Nachbarn gehören der pensionierte, kränkelnde Prokurist Beumer mit seiner Frau und der Witwer Korteweg mit seiner Tochter Karin. Über das Ehepaar Aarts, das in dem vierten Haus wohnt, wissen die Steenwijks so gut wie nichts.

Im Januar 1945 spielt Familie Steenwijk vor dem Schlafengehen noch Mensch-ärgere-dich-nicht. Da sind auf der Straße sechs Schüsse zu hören. Vor dem Haus der Kortewegs liegt Fake Ploeg, ein mit den Nationalsozialisten kollaborierender Polizeioberinspektor, mit seinem Fahrrad. Plötzlich kommen Korteweg und seine Tochter aus dem Haus und zerren die Leiche weg von ihrem Haus und hin zu dem der Steenwijks.

Während Antons Vater ratlos sitzen bleibt und seine Mutter aufgeregt überlegt, was zu tun sei, stürzt Peter hinaus, aber gerade als er nach Ploegs Leiche greift, nähern sich drei Männer auf Fahrrädern, rufen ihn an und springen ab. Peter nimmt Ploegs Pistole und rennt in Kortewegs Garten.

Ein paar Minuten später ist die Straße voll von Autos und Motorrädern der deutschen Besatzer. Sie treten die Tür der Steenwijks ein und zerren die drei Menschen ins Freie. Anton wird zu einem in der Nähe abgestellten Wagen gebracht. Seine Eltern hat er aus den Augen verloren. Die Deutschen zertrümmern mit ihren Gewehrkolben die Fensterscheiben, werfen Handgranaten ins Haus und setzen es mit einem Flammenwerfer in Brand. Ohnmächtig sieht Anton zu, wie das Haus mit all seinen Sachen niederbrennt.

Später bringen ihn die Männer zur Polizeiwache in Heemstede. Weil alles überfüllt ist, sperrt ihn ein Beamter in eine fensterlose Zelle ohne Licht, in der sich außer ihm eine junge Frau befindet. Anton zittert vor Aufregung und darf sich an die Mitgefangene kuscheln, aber nach gut einer Stunde holt ihn jemand aus der Zelle. Das Mädchen ist offenbar verletzt, denn sein Gesicht ist mit Blut verschmiert. Der Ortskommandant fragt ihn nach Verwandten, und er nennt seinen Onkel Peter in Amsterdam. Der Militärkonvoi, mit dem Anton kurze Zeit später nach Amsterdam unterwegs ist, wird von einem englischen Tiefflieger angegriffen. Die Männer springen aus den Fahrzeugen und in Deckung. Jemand reißt auch Anton aus dem Wagen. Als das Flugzeug wieder verschwunden ist, sieht Anton den Deutschen, der sich um ihn kümmerte, mit zerfetzter Brust auf der Straße liegen und fühlt sich schuldig an seinem Tod.

Peter van Liempt ist Arzt. Er und seine Frau nehmen Anton wie einen eigenen Sohn auf. Um sich nach seiner Schwester und seinem Schwager zu erkundigen, fährt Peter van Liempt mit dem Rad nach Haarlem. Antons Eltern wurden noch am selben Abend zusammen mit neunundzwanzig anderen Geiseln erschossen. Dass auch Peter tot ist, erfährt Anton erst einige Monate später, im Juni 1945.

Nach dem Abitur studiert er Medizin. Ein Kommilitone aus Haarlem lädt ihn Ende September 1952 zu einer Party ein. Anton war seit damals nie mehr in Haarlem. Gerrit-Jan van Lennep, der ältere Bruder seines Kommilitonen, wurde wegen seines Klumpfußes ausgemustert und studiert Zahnmedizin. Er wendet sich spöttisch an Anton:

„Wenn du auch nur ein bisschen Mumm hättest, würdest du nicht nur Soldat werden, sondern dich außerdem auch noch freiwillig nach Korea melden. Ihr wisst überhaupt nicht, was da los ist. Da hämmern die Barbaren gegen die Tür der christlichen Zivilisation!“ (Seite 70)

Nach einer Weile entschuldigt Anton sich, er müsse etwas frische Luft schnappen, und geht zu Fuß zu der Häusergruppe, wo er aufwuchs. Zwischen den drei verbliebenen Häusern klafft eine Lücke, in der Sträucher und Brennnesseln wuchern. Anton erschrickt, als Frau Beumer ihn entdeckt und hereinbittet. Ihr Mann ist inzwischen ein geistig verwirrter, hinfälliger Greis. Nach einem kurzen Gespräch, in dem Frau Beumer auf das Ereignis im Januar 1945 zu sprechen kommt und ihr Mitgefühl zum Ausdruck bringt, verabschiedet Anton sich.

Nach dem Physikum mietet Anton ein möbliertes Zimmer in Amsterdam. 1956 macht er das Rigorosum, arbeitet als Assistent in verschiedenen Krankenhäusern und entscheidet sich endgültig für die Spezialisierung auf Anästhesie. Für Politik interessiert er sich nicht und verfolgt deshalb die Ereignisse in der zweiten Jahreshälfte nur am Rande:

Krach in Polen, Skandale im Königshaus, französisch-englischer Angriff auf Ägypten, Aufstand in Ungarn, Intervention der Sowjetunion, Landung Fidel Castros auf Kuba (Seite 94)

Auf dem Heimweg gerät er einmal in eine Demonstration auf seiner Straße. Er will gerade die Haustür aufsperren, da erkennt er einen der Steinewerfer, der sich in den Hauseingang drückt: Fake Ploeg, der Sohn des getöteten Kollaborateurs. Mit ihm war er damals zur Schule gegangen. Er holt ihn herein. Fake arbeitet in einer Werkstatt für Haushaltsgeräte. Seine Mutter wurde nach dem Krieg verhaftet, von einem Sondergericht verurteilt und ein dreiviertel Jahr lang in einem Lager eingesperrt. Fake kam während dieser Zeit in ein katholisches Internat. Als seine Mutter freigelassen wurde, wohnten andere Leute in ihrem Haus in Haarlem, und man wies ihnen eine Unterkunft in Den Helder zu. Sie arbeitete als Putzfrau, um den Lebensunterhalt für sich, ihren Sohn und ihre zwei Töchter zu verdienen. Jetzt liegt sie mit Wasser in den Beinen im Krankenhaus. Fake erzählt, sein Vater sei erst im September 1944 Mitglied der NSB geworden, als die Opportunisten sich bereits von den Nationalsozialisten distanzierten, denn er sei zu seiner Überzeugung gestanden und habe ein Beispiel geben wollen. Anton hält ihm vor, dass seine Familie im Gegensatz zu Fakes Vater als Unbeteiligte umgebracht wurden, aber das lässt Fake nicht gelten. Er fühlt sich als Opfer der damaligen Ereignisse. Frustriert über sein Schicksal, nimmt er den Stein auf, den er auf dem Flügel abgelegt hatte und zerschmettert damit einen Wandspiegel, bevor er hinausläuft. Im nächsten Augenblick knallt es im Ölofen, der Deckel hebt fünf Zentimeter ab und eine Rußwolke zieht durchs Zimmer.

Nach seiner Promotion im Jahr 1959 tritt Anton Steenwijk eine Stelle als Assistentarzt für Anästhesie an und zieht eine größere, hellere Wohnung um.

Im Weihnachtsurlaub 1960 begegnet er in London Saskia de Graaff, einer KLM-Stewardess. In dem Augenblick als er sie sieht, verliebt er sich in sie. Ein Jahr später heiraten sie. Saskias Vater, Godfried Leopold Jérôme de Graaff, ist der niederländische Botschafter in Athen. Mit seiner finanziellen Hilfe kaufen sie sich eine Doppelhaushälfte. Ihre Tochter Sandra wird 1962 geboren.

An der Beerdigung eines alten Freundes de Graaffs im Juni 1966 in einem Dorf nördlich von Amsterdam nehmen einige ehemalige niederländische Widerstandskämpfer teil. Anton hört, wie ein Mann neben ihm zu einem anderen sagt:

„Ich bin mit dem Fahrrad an ihm vorbeigefahren und habe ihm erst in den Rücken geschossen und dann einmal in die Schulter und in den Bauch.“ (Seite 123)

Alarmiert fragt Anton den Fremden, ob er von dem Attentat auf Fake Ploeg in Haarlem rede. Der Zweiundvierzigjährige, er heißt Cor Takes, will zuerst wissen, warum der neun Jahre jüngere Trauergast sich dafür interessiert, aber als er erfährt, dass Anton damals in einem der vier Häuser wohnte, nimmt er ihn zur Seite und spricht mit ihm. Bei der Planung und Durchführung des Anschlags auf Fake Ploeg nahmen die Widerstandskämpfer bewusst in Kauf, dass die Deutschen zur Vergeltung eines der Häuser zerstören würden. Cor Takes – sein Deckname war Gijs – hält sein damaliges Vorgehen nach wie vor für richtig, denn er wollte damit verhindern, dass noch mehr Leute dem Kollaborateur zum Opfer fielen. Er verübte das Attentat nicht allein, sondern zusammen mit einer Freundin, und Anton ist sofort sicher, dass es sich um die verletzte junge Frau handelte, in deren Zelle er eine Stunde gesessen hatte. Jetzt hört er, dass die Deutschen die Vierundzwanzigjährige am 17. April 1945 in den Dünen erschossen.

Nach der Beerdigung fährt Anton mit Saskia und Sandra zum Baden nach Wijk aan Zee.

Plötzlich begreift er, warum es für ihn Liebe auf den ersten Blick war: Saskia ist die Personifizierung der Vorstellung, die er sich von dem Mädchen in der Gefängniszelle gemacht hat, obwohl er es im Dunkeln nicht hatte sehen können.

Verunsichert und ohne seiner Frau etwas davon zu sagen, fährt er zu Cor Takes, um mehr über dessen Freundin zu erfahren. Der alkoholkranke, arbeitslose Mathematiklehrer erzählt ihm, dass er damals verheiratet war und zwei Kinder hatte, aber seine Familie ohne zu zögern für Catharina Geertruida („Truus“) Coster verlassen hätte, die mit ihm in der Widerstandsbewegung war; aber davon wollte sie nichts wissen. Wie ein Liebespaar fuhren sie allerdings im Januar auf ihren Fahrrädern und ließen sich von Fake Ploeg überholen. Dann zog Cor Takes seine Pistole und schoss. Weil er durch das einhändige Lenken ins Schlingern kam, traf er ihn nur in Rücken, Schulter und Bauch. Dann hatte seine Waffe Ladehemmung. Truus hielt neben dem zu Boden gestürzten Polizeioberinspektor, zielte sorgfältig zwischen seine Schulterblätter und gab zwei Schüsse ab, bevor sie weiterfuhr. Cor Takes schrie noch, sie solle aufpassen, aber da schoss Ploeg, der sich noch einmal halb aufgerichtet hatte, bereits auf sie und traf sie in den Rücken. Weil es Cor Takes nicht gelang, die Verletzte auf seinen Gepäckträger zu heben, versteckte er sich mit ihr hinter Sträuchern, aber als die Deutschen kamen, rief eine Frau aus einem Fenster und verriet, wo sie waren. Da gab Truus ihm ihre Pistole, küsste ihn kurz und forderte ihn auf, allein zu fliehen.

1968, ein Jahr nach seiner Scheidung von Saskia, heiratet Anton eine Kunstgeschichte-Studentin namens Liesbeth. 1969 wird sie von ihrem Sohn Peter entbunden. Das Haus hatte er Saskia überlassen, die inzwischen mit einem Oboisten verheiratet ist; er und Liesbeth kauften sich ein weiteres Haus in Amsterdam, dazu ein Wochenendhaus in Gelderland und ein Ferienhaus in der Toskana, in denen auch Saskias Familie jedes Jahr ein paar Wochen verbringen darf. Hin und wieder fahren sie auch alle zusammen in Urlaub.

Immer häufiger fallen Anton Kombis mit der Aufschrift „Fake Ploeg Sanitärbedarf GmbH“ auf, aber seinen früheren Mitschüler hat er seit 1956 nicht mehr gesehen.

In der zweiten Novemberhälfte 1981 erwacht er mit heftigen Zahnschmerzen und ruft seinen langjährigen Zahnarzt, Gerrit-Jan van Lennep, an. Es ist Samstag, und Gerrit-Jan ist mit seiner Frau auf dem Weg zu einer Anti-Atomwaffen-Demonstration in Amsterdam. Nur unter der Bedingung, dass Anton ihn zu der Demonstration begleitet, ist er bereit, sich den Zahn anzusehen.

Van Lennep nahm ein graues Blättchen Papier, legte es auf den Zahn und sagte, Anton solle vorsichtig die Zähne aufeinandersetzen und langsam hin und her bewegen. Er schaute noch einmal auf den Zahn und nahm dann den Bohrer vom Haken. „Berufshalber“, sagte Anton, „plädiere ich für eine Spritze.“
„Du bist wohl verrückt, bei so einer Kleinigkeit. Mund auf!“
Anton verschränkte krampfhaft die Finger ineinander und versank – das graue, zur Seite gebürstete Haar des Arztes dicht vor den Augen – für zwei oder drei Sekunden in Schmerzen und Lärm.
„Mach den Mund wieder zu“, sagte van Lennep.
Das Wunder war geschehen. Der Schmerz verzog sich hinter den Horizont und verschwand, als hätte es ihn nie gegeben.
„Wie ist das in Gottes Namen bloß möglich?
Van Lennep hängte den Bohrer in die Halterung und zuckte die Schultern.
„Eine kleine Überbelastung. Er war ein wenig nach oben gekommen. Alterssache. Spül ein bisschen nach, und dann gehen wir.“ (Seite 185)

In der ungeheuren Menge der Demonstranten verlieren sie sich bald aus den Augen. Anton stößt mit einer grauhaarigen Frau zusammen und erkennt sie zuerst nicht, aber sie spricht ihn an: Es ist Karin Korteweg. Es drängt sie, von dem Attentat in Januar 1945 zu reden.

Peter kam zu den Kortewegs ins Haus, und weil er sie beschimpfte und mit einer Pistole herumfuchtelte, befürchteten sie, er werde sie erschießen, doch er war verzweifelt und wusste nicht, was er tun sollte. Karin forderte ihn auf, die Waffe wegzuwerfen, damit die Deutschen ihn nicht damit erwischten, aber ihr Vater bedeutete ihr, zu schweigen und später begriff sie, dass er damit rechnete, dass er und Karin ungeschoren blieben, wenn die Deutschen sahen, dass sie mit einer Pistole bedroht wurden. Die Deutschen spähten durch einen Spalt in der Verdunkelung und schossen sofort auf Peter. Dann traten sie die Tür ein und feuerten noch ein paar Mal aus unmittelbarer Nähe auf ihn. – Als auf Fake Ploeg geschossen worden war, hatte Korteweg als Erstes gerufen: „O Gott, die Eidechsen!“ Seit dem Tod seiner Frau hatten ihm die in mehreren Terrarien gepflegten Tiere unglaublich viel bedeutet. Doch als er und Karin nach den Verhören bei der Ortskommandatur am Morgen nach dem Attentat heimkamen, zertrampelte er die Tiere. – Gleich nach dem Krieg zog er mit seiner Tochter nach Neuseeland, denn er befürchtete, Anton könne eines Tages auftauchen und Rechenschaft von ihm verlangen. 1948 nahm er sich das Leben. – Warum sie die Leiche vor sein Familienhaus legten und nicht zum Beispiel vor das des Ehepaars Aarts, möchte Anton wissen. Karin erwidert, dass sie mit der Leiche in der Tat zu den Aarts wollte, aber ihr Vater hielt sie davon ab: „Nein, nicht dahin, da sind Juden!“ Die Aarts hatten seit 1943 ein junges jüdisches Paar mit einem Kind bei sich versteckt. Hätte Ploegs Leiche vor ihrem Haus gelegen, wären die Juden mit Sicherheit entdeckt und umgebracht worden. So aber rechneten die Kortewegs „nur“ damit, dass die Deutschen zur Vergeltung das Haus der Steenwijk zerstören würden.

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Ein zwölfjähriger niederländischer Junge überlebt 1945 als Einziger seiner Familie eine Vergeltungsaktion der Deutschen nach einem Attentat auf einen Kollaborateur. Anton Steenwijk studiert Medizin, wird Anästhesist, interessiert sich nicht für Politik und will auch nichts über die damalige Zeit hören. Durch Zufall begegnet er jedoch dem Sohn des erschossenen Kollaborateurs, dem Attentäter und der Frau, die mit ihrem Vater zusammen die Leiche des Getöteten zum Haus der Steenwijks gezogen hatte. Anton begreift, dass sogar die Liebe, die er für Saskia empfand, mit den Ereignissen von 1945 zu tun hat. Ohne dass es ihm bewusst war, haben die traumatischen Erlebnisse im Jahr 1945 sein weiteres Leben beeinflusst.

„Das Attentat“ ist so spannend wie ein Kriminalroman, bei dem der Leser nach und nach Informationen aus verschiedenen Perspektiven erhält, die sich am Ende zu einer Erklärung des Geschehenen zusammenfügen. Harry Mulisch hat jedoch etwas geschrieben, bei dem es sich eigentlich gar nicht um einen Unterhaltungsroman handelt, denn dazu ist das Thema viel zu ernst. Es geht um Erinnern und Verdrängen, um den Einfluss der Vergangenheit auf Gegenwart und Zukunft. Opfer machen sich schuldig, und die Kinder der Täter gehören zu ihren Opfern. Harry Mulisch stellt Fragen, die sich kaum beantworten lassen, etwa ob Widerstandskämpfer Unschuldige gefährden dürfen, wenn sie durch ein Attentat noch mehr Leid verhindern wollen.

Harry Mulisch arbeitet in „Das Attentat“ viel mit Symbolen: Der Protagonist heißt zum Beispiel Steenwijk. Steen ist das niederländische Wort für Stein; wijken bedeutet weich machen. Bezeichnenderweise wird Anton Steenwijk, der das Trauma seiner Kindheit verdrängt, Anästhesist. Ebenso symbolisch ist es, wenn plötzlich einer seiner Zähne nach oben drückt und es dadurch im Gebiss zu einer schmerzhaften Überbelastung kommt.

„Das Attentat“ ist ein packender, facettenreicher und erschütternder Roman ohne falsche Sentimentalität.

Fons Rademakers verfilmte das Buch 1986 unter dem Titel „Der Anschlag“ (mit Derek de Lint, Marc van Uchelen u. a.) und wurde dafür mit einem „Oscar“ ausgezeichnet.

Harry Mulisch wurde 1927 in Haarlem als Sohn eines Bankiers tschechischer Herkunft und einer Jüdin aus Frankfurt am Main geboren. Sein Vater kollaborierte im Zweiten Weltkrieg mit den Deutschen, um seine Frau und seinen Sohn zu schützen, konnte aber nicht verhindern, dass seine Schwiegermutter und deren Mutter in Auschwitz ermordet wurden. Harry Mulisch starb am 30. Oktober 2010.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004 / 2010
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.