John le Carré : Silverview

Silverview
Silverview Viking, PRH, London 2021 Silverview Übersetzung: Peter Torberg Ullstein Buchverlage, Berlin 2021 ISBN 978-3-550-20206-3, 256 Seiten ISBN 978-3-8437-2635-1 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Am Beispiel des Bosnien-Kriegs zeigt sich die Ohnmacht und Unzulänglichkeit der westlichen Nachrichtendienste. "Silverview" ist eine nostalgische Betrachtung britischer Geheimdienst-Tätigkeit. Die Agentinnen und Agenten sind allesamt älter, und die Organisation wirkt nicht so, als sei sie auf der Höhe der Zeit.
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Kritik

Bei "Silverview" handelt es sich um einen auf angenehme Weise altmodischen Spionageroman. John le Carré geht es nicht um Action und Suspense. Die Dialoge sind lebendig und zum Teil so tragikomisch wie einige der Situationen. Das macht den Roman zu einem Lesevergnügen.
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Warnung

Lily fährt mit ihrem zweijährigen Sohn Sam im Buggy von einem kleinen Küstenstädtchen in East Anglia nach London und sucht im strömenden Regen eine Adresse in der South Audley Street auf, um einen Brief ihrer an Krebs sterbenden Mutter Deborah zu übergeben. Eine Frau, die sich Marie nennt, öffnet ihr und bringt sie zu Stewart Proctor, dem höflichen Chef des für die Inlandssicherheit verantwortlichen britischen Geheimdienstes.

„Wenn Sie eine Nachricht haben, dann soll ich sie mündlich überbringen“, sagte sie. „Sie wünscht keine Anrufe, keine Textnachrichten, keine E-Mails. Weder vom Dienst noch von sonst wem. Sie eingeschlossen.“

Nachdem der Mitfünfziger das Kuvert geöffnet und den Brief gelesen hat, sagt er:

„Unsere Antwort ist ein unverzügliches Ja zu allen Punkten. Also dreimal Ja. Wir werden ihre Nachricht beherzigen. Wir werden uns um ihre Bedenken kümmern. Alle ihre Bedingungen werden erfüllt.“

Julian J. Lawndsley

Am Abend zuvor fiel in dem kleinen Küstenstädtchen in East Anglia, von dem aus Lily nach London fuhr, ein Mann Mitte 60 auf, der gegenüber der vor zwei Monaten eröffneten Buchhandlung „Lawndsleys Bessere Bücher“ auf der Straße stand. Julian Jeremy Lawndsley, der 33-jährige Inhaber, der als Börsenmakler in der City ein Vermögen verdient hatte, war aus dem gnadenlosen Konkurrenzkampf in die Provinz geflohen, um als Buchhändler neu zu beginnen. Mit dem Verkauf seiner Wohnung in London wartet er wegen der enorm steigenden Preise auf dem Immobilienmarkt noch.

Kurz vor der Ladenschlusszeit betritt der Mann von der Straße die Buchhandlung, sieht sich um und sagt:

„Endlich gibt es im Ort eine waschechte Buchhandlung. Ich bin erstaunt, muss ich schon sagen. Durch und durch.“

Er heißt Edward („Ted“) Avon, und Julian wird noch herausfinden, dass er mit seiner an Krebs sterbenden Ehefrau Deborah („Debbie“) auf einem nach Friedrich Nietzsches Villa „Silberblick“ in Weimar „Silverview“ genannten Anwesen wohnt. Edward vermisst in den Regalen den 1995 veröffentlichten Roman „Die Ringe des Saturn“ von W. G. Sebald und rät dem neuen Buchhändler, den Titel unbedingt ins Sortiment aufzunehmen.

Dann weist er Julian darauf hin, dass er ein Schulfreund seines Vaters gewesen sei und spricht davon, dass Henry Kenneth Lawndsley nach dem Schulabschluss im West-Country-Internat zum Studieren nach Oxford ging.

„Wo mein Vater in die Hände einer Gruppe von mit amerikanischem Geld finanzierten, evangelikalen, wiedergeborenen Hirnverdrehern mit kurzen Haaren und schicken Krawatten fiel, die ihn in die Schweizer Berge schleppten und in einen feuerspeienden Christen verwandelten. Wollten Sie das sagen?“

Zehn Jahre nachdem H. K. Lawndsley zum anglikanischen Pfarrer geweiht worden war, schwor er vor der versammelten Kirchengemeinde dem Glauben ab, und die Familie wurde aus dem Pfarrhaus geworfen. Im Alter von 50 Jahren starb Lawndsley. Sein Sohn musste alle Hoffnungen auf ein Universitätsstudium aus finanziellen Gründen aufgeben – und wurde Börsenmakler.

Ellen und Stewart Proctor

Ellen und Stewart Proctor sind seit 25 Jahren verheiratet. An diesem Abend feiern sie in ihrer Villa in Berkshire mit drei Generationen ihrer liberalen Famiie den 21. Geburtstag ihrer Zwillinge. Jack studiert im dritten Jahr Biologie und Katie Englische Literaturwissenschaft.

Als Stewart nach dem Falklandkrieg als stellvertretender Stationsleiter des Geheimdienstes in Buenos Aires diente, war Ellen, eine Absolventin des Trinity College in Dublin, seine verdeckte Nummer zwei.

Der klugen Irin entgeht nicht, dass Stewart seit seiner Rückkehr aus London nervös ist und nach der Geburtstagsfeier in die alte Spülküche geht, wo das ultrasichere grüne Diensttelefon unter einem Teewärmer steht.

Grande Collection

Celia Merridew, die Betreiberin des Kramladens „Celias Schätze“ in dem kleinen Küstenstädtchen in East Anglia, hat ihren 60. Geburtstag bereits hinter sich. Ihr Ehemann Bernard betätigt sich als „Gemüsegärtner, Freimaurer, Teilzeitmakler und Vorsitzender im Planungsausschuss im Bezirksrat“.

Vor zehn Jahren stellte ihr Edward Avon eine Porzellanschale auf den Tresen und fragte nach dem Wert. Es handelte sich um ein Stück aus einer wertvollen Ming-blau-weiß-Sammlung seiner Frau, und er überredete Celia, für ihn gegen eine Provision als Strohfrau bei Zu- und Verkäufen aufzutreten.

Vor einer Woche rief Deborah bei Celia an:

„Ich möchte Sie darüber informieren, dass Edward und ich entschieden haben, uns unverzüglich von unserer Sammlung an chinesischem Porzellan zu trennen. Sich davon zu trennen, Deborah? Sie meinen doch nicht etwa Ihre Grande Collection? Doch, Celia, genau die meine ich. Wir möchten sie aus dem Haus haben, am liebsten spätestens morgen. […]
Man schiebt ja eine Grande Collection nicht über Nacht in irgendeine Ecke, oder? Nun, Celia, sagt sie, wie ich feststelle, haben Sie im Laufe der Jahre ein kleines Vermögen aus Edward herausgeschlagen, und da Edward mir versichert, dass Sie genügend Stauraum haben, wie wäre es, Sie würden das Porzellan dort einlagern?“

Falkenhorst

Auf der Suche nach der Sicherheitslücke, vor der ihn Deborah Avon gewarnt hat, inspiziert Stewart Proctor die von Insidern „Falkenhorst“ genannte Geheimdienstanlage hundert Meter unter der Erde. Todd, der Leiter, versichert ihm, dass die hier installierten Computer ein geschlossenes Netzwerk bilden und es keine Außenverbindung gibt. Im Ernstfall würde man das Team hier versammeln und die Zugbrücke hochziehen.

Aber dann fällt Todd noch etwas ein. Es betrifft Deborah Avon, die beste Nahost-Analystin des britischen Geheimdienstes.

„Debbie hat acht Kilometer von hier ein prächtiges Anwesen. Das gehörte ihrem Vater, als er noch beim Dienst war. Wie sich herausstellte, lag das Anwesen direkt an der Pipeline zu einer Basis bei Saxmundham, die über den Jordan gegangen ist. Und mitten im heftigsten Nahostschlamassel hatte Debbie eine schwere Zeit und bekam Chemo, aber so ist sie nun mal, sie wollte unsere Sache nicht vernachlässigen. Und der Geheimdienst wollte seine Topanalystin nicht verlieren. Es kostete so gut wie gar nichts, sich zu ihr durchzubohren und sie anzuschließen.“

Vor einiger Zeit rief sie Todd an und forderte ihn auf, die Verbindung zu trennen. Das begründete die Krebskranke mit ihrem bevorstehenden Tod. Vor einer Woche meldete sie sich erneut und vergewisserte sich, dass die Verbindung gekappt wurde.

Auf dem Rückweg notiert Stewart Proctor:

„Undokumentierte Verbindung bestätigt. Unterbrechung der Verbindung vor einer Woche auf persönlichen Wunsch der Zielperson.“

Die Literarische Republik

Julian richtet in seiner Buchhandlung eine Kaffeebar ein und nennt sie „Gulliver’s“. Zur gleichen Zeit überredet ihn Edward dazu, im Keller statt eines Antiquariats eine elitäre Sammlung von Werken der Weltliteratur aufzubauen und liefert auch gleich eine entsprechende Liste von Titeln für „Die Literarische Republik“. Damit Edward im Internet nach seltenen Büchern suchen kann, stellt ihm Julian einen Laptop zur Verfügung.

Darüber hinaus bittet ihn Edward, einer Dame in London eine vertrauliche Nachricht zu überbringen. Als Erkennungszeichen soll er bei dem konspirativen Treffen ein Exemplar von „Die Ringe des Saturn“ in der Hand halten.

„Sie wird den Sebald sehen und Sie ansprechen. Sie werden ihr einfach den Brief geben und wieder gehen.“

Als Julian von der Begegnung mit der stilvollen älteren Dame in London zurückkommt, findet er eine Einladung von Deborah Avon zum Abendessen vor.

„Wie Sie wissen, habe ich dank meines Vaters seit zehn Jahren die Schirmherrschaft über unsere prächtige Stadtbücherei inne, die ihm immer sehr am Herzen lag und in der Sie Ausschussmitglied sind.“

Florian

Stewart Proctor besucht im Rahmen seiner Ermittlungen ein befreundetes Ehepaar. Philip ist von einem Schlaganfall gezeichnet und benutzt einen Gehstock.

Proctor erinnerte sich an [Joan] als die unvergleichlich schöne Leiterin der Einsätze im Mittelmeerraum, während ihr Gatte Philip Pfeife schmauchte und von einer Außenstation in der Nähe des Lambeth Place die Netzwerke des Dienstes in Osteuropa führte. Das beste und klügste Ehepaar beim Geheimdienst, hieß es. Und als Philip zu Beginn des Bosnienkrieges die hochgestufte Station in Belgrad bekam und Joan seine Nummer zwei wurde, hätte man den Applaus bis hinunter in die Gehalts- und Spesenabteilung hören können.

Unter dem Vorwand, Material für die Ausbildung des Nachwuchses zu sammeln, befragt Stewart die beiden über Edward, den sie unter dem Decknamen Florian als Inoffiziellen Assistenten in Warschau kennengelernt hatten. Philip beginnt:

„Also, der Vater war Pole, richtig? Und ein Mistkerl. Erzkatholisch, glühender Faschist, hielt die Nazis für das Beste, was es je gab. Kroch denen in den Hintern, half ihnen bei den Deportationen, nahm Juden in ihren Verstecken aus, bekam einen hübschen Schreibtischjob und schickte sie zu Hunderten in die Lager. Nun“, machte er eine kleine Pause, um sich zu sammeln, „nach dem Krieg haben sie ihn sich geschnappt. Schlich auf einem Bauernhof herum und gab sich als Landei aus. Kurzer Prozess ohne viel Schnickschnack, und sie hängten ihn auf dem Dorfplatz auf.“

Nach der Witwe wurde vergeblich gesucht. Sie versteckte sich in einem Kloster in Graz und brachte einen Sohn zur Welt. Sieben Jahre später zog sie mit dem Kind nach Paris. Dann heiratete sie einen englischen Banker.

„Britischer Pass für sie, britischer Pass für den Jungen. Nicht schlecht für eine polnische Schlampe mit einem toten Nazi-Kriegsverbrecher im Keller.“

Aus dem Jungen wurde ein kommunistischer Rädelsführer der Anti-Vietnam-Brigade.

„Man muss gar nicht erst erwähnen, dass die Sorbonne ihn mit Kusshand nahm und seinen Kopf mit noch mehr von diesem Zeug füllte, und sechs Jahre später war er auf eigenen Wunsch im Land seines Vaters. Er hatte ein Jahr in Zagreb verbracht, ein Jahr in Havanna, zwischendrin ein Jahr in Uppsala, und nun lehrte er die marxistisch-leninistische Interpretation der Geschichte an der Universität in Danzig vor einem Haufen unerlöster katholischer Polen in einer marxistischen Diktatur, die nicht funktionierte. […] Diese Polen haben ihm die Flausen ausgetrieben […]. Ein Jahr in Danzig, und schon war die Botschaft des Kommunismus der größte Schwindel seit Erfindung der Religion.“

Zurück in Paris, verschwieg Florian seinen Gesinnungswandel. Nur seiner Geliebten Ania, einer Ballerina aus Polen, vertraute er sich an.

Florian, also Edward, engagierte sich dann für den britischen Geheimdienst in Polen. Als dort zwei der besten Leute verhaftet wurden, schmuggelte man Florian in einem Fleischtransporter nach Devon. Etwa zu dieser Zeit endete seine Liebesgeschichte mit Ania und er begegnete der Geheimagentin Deborah Garton.

Erneut eingesetzt wurde Florian im Bosnien-Krieg, „einer Mischung aus Dreißigjährigem Krieg und Spanischer Inquisition“. Philip fungierte dort als Verbindungsperson „zu den zahllosen Geheimdiensten, die sich gegenseitig über die Füße stolperten, darunter auch die Leitung der sechs verfeindeten Geheimdienste des früheren Jugoslawien“, zum Kommando der UN-Truppen, zu den Vertretern der NATO und ausgewählten NGOs, während Joan an seiner Seite im Geheimen als Führungsoffizierin arbeitete.

Florian, der zu ihren Mitarbeitern gehörte, freundete sich in einem eine Tagesreise von Sarajewo entfernten bosnischen Bergdorf, in dem es eine Moschee, eine römisch-katholische und eine orthodoxe Kirche gab, mit einer muslimischen Familie aus Jordanien an. Salma und Faisal leiteten ein im verlassenen Kloster am Rand des Dorfes eingerichtetes medizinisches Versorgungszentrum unter der Schirmherrschaft einer blockfreien, von den Saudis finanzierten NGO – bis das Dorf Anfang 1995 von Serben zerstört wurde.

Faisal und sein dreizehnjähriger Sohn wurden von den Angreifern ermordet. Florian kam zu spät, um etwas für die beiden zu tun, aber er rettete Salma und floh mit ihr.

Ermittlungen

Aus der Buchhandlung wurden die Laptops gestohlen, augenscheinlich von Profis. Und Celia erhält im Zusammenhang mit der Grande Collection Besuch von der Steuerfahndung.

„Kommen in meinen Laden gestürmt wie eine Gaunerbande. ‚Wir haben Grund zu der Annahme, Mrs Merridew, dass Sie unter der Hand Zahlungen entgegengenommen haben, in Zusammenhang mit Kommissionen, die Sie über Jahre hinweg eingestrichen haben für gewisse steuerlich nicht erklärte Transaktionen von blau-weißem Porzellan; dementsprechend beschlagnahmen wir auf der Stelle Ihre Kontobücher und den Computer.'“

Nach Deborah Avons Beerdigung bringen Geheimdienstagenten Julian zu Stewart Proctor, der ihm eine schriftliche Schweigeverpflichtung vorlegt und für den Fall, dass er die Kooperation verweigert, unmissverständlich droht:

„Wir würden Sie wegen des Verdachts verhaften lassen, Feinden der Queen Schutz und Beihilfe gewährt zu haben, und den Computer aus Ihrem Keller als Beweismittel dafür anführen. Sie haben sich zusammengetan, zusammen gehandelt, konspiriert. Sie haben den Plan einer klassischen Büchersammlung als Legende benutzt.“

Es geht also um Edward Avon.

Geplatzte Verabredung

Stewart Proctor sitzt bei seinem Chef Quentin Battenby im Londoner Büro. Teresa, „die Respekt einflößende Leiterin der Rechtsabteilung“, ist ebenfalls da. Sie reden über Deborah und Edward. Stewart erinnert an Deborahs Vorschläge im Vorfeld des zweiten Irakkriegs:

„Simultanes Bombardement islamischer Hauptstädte, Überlassung des Gazastreifens und des Südlibanons an Israel, gezielte Attentatsprogramme auf Staatsoberhäupter, riesige Geheimarmeen aus internationalen Söldnern, die unter falscher Flagge in der Region Chaos verbreiten, im Namen von Personen, die wir nicht mochten …“

Damals, so Teresa, sei Deborah an Stewart herangetreten, um ihm mitzuteilen, dass ihr Ehemann in ihrer geheimen Stahlkammer herumgeschnüffelt habe. Aber es gab keine weiteren Hinweise auf ein Sicherheitsrisiko.

Seit Stewart kurz vor Deborahs Tod deren neue Warnung vor einer undichten Stelle erhielt, lässt er Edward von der entsprechenden Abteilung observieren.

„Wir haben eine Generalanweisung für den gesamten Ort erteilt, das betraf alles, was mit Porzellan zu tun hatte […]. Sie sollten außerdem auf potenziell ungewöhnliche Anrufe von Händlern und von Privatanschlüssen aus achten. Florian ist gut darin, anderer Leute Telefone zu benutzen. […] An der Uferpromenade gibt es ein billiges Café. Wird von einer Polin geführt. Achtzehn Telefonate nach Gaza in einem Monat, über insgesamt vierundneunzig Minuten.“

Der Verdächtige telefonierte in letzter Zeit mehrmals mit dem Friedensaktivisten Felix Bankstead in Gaza, dem Lebensgefährten von Edwards früherer Geliebten Ania, und es wird vermutet, dass er nach wie vor Kontakt mit der von ihm aus dem bosnischen Dorf geretteten Palästinenserin Salma hat. Jeder andere müsste in so einem Fall mit 20 Jahren Haft rechnen, aber Edward soll aufgrund seiner Verdienste mit dem Unterschreiben einer Erklärung davonkommen, die Stewart bei sich hat.

Die beiden Männer verabreden sich konspirativ in Oxford, aber die bei Silverview postierten Überwacher melden kurz vor der vereinbarten Zeit, dass niemand weggefahren sei, und Edward taucht auch am Treffpunkt nicht auf. Deshalb leitet Stewart die Fahndung nach ihm ein.

Es stellt sich heraus, dass Edward sich unbemerkt im Lieferwagen des Postboten Andy versteckte. Sobald dieser ihn während der Weiterfahrt bemerkte, drohte er, den Alarmknopf zu drücken und zwang ihn zum Aussteigen. Andy beobachtete dann noch, wie Edward von einem kleinen schwarzen Peugeot mitgenommen wurde.

Als Lily vom Verschwinden ihres Vaters erfährt, meint sie, er habe sich auf die Suche nach Salma gemacht.

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Bei „Silverview“ handelt es sich um einen Spionageroman, aber John le Carré geht es nicht um Action und Suspense, sondern um eine nostalgische Betrachtung britischer Geheimdienst-Tätigkeit. Am Beispiel des Bosnien-Kriegs (1992 – 1995) veranschaulicht John le Carré die Ohnmacht und Unzulänglichkeit der westlichen Geheimdienste. Die in „Silverview“ auftretenden Agentinnen und Agenten sind allesamt nahe des Pensionsalters oder darüber hinaus. Die Organisation wirkt nicht so, als sei sie auf der Höhe der Zeit. Weder Spionage-Trojaner noch Hacker-Angriffe gibt es in „Silverview“. Stattdessen steht zum Beispiel in der früheren Spülküche im Privathaus des Chefs der für die Inlandssicherheit verantwortlichen Abteilung ein gegen Abhörmaßnahmen geschütztes grünes Diensttelefon − sicherheitshalber unter einem dick gepolsterten Teewärmer.

John le Carré beginnt „Silverview“ mit verschiedenen Handlungssträngen. Eine junge Mutter überbringt einem leitenden Geheimdienstmitarbeiter in London einen Brief. Und zur gleichen Zeit beobachten wir einen 33-Jährigen, der als Börsenmakler in der City ein Vermögen gemacht hat, aber vor zwei Monaten in die Provinz gezogen ist, um eine Buchhandlung zu eröffnen. Erst allmählich werden Zusammenhänge erkennbar, und Zug um Zug entsteht ein Bild.

„Silverview“ wirkt auf angenehme Art altmodisch. Die Dialoge sind lebendig und zum Teil so tragikomisch wie einige der Situationen. Das macht den Roman zu einem Lesevergnügen.

Dass „Silverview“ unfertig und fragmentarisch aussieht, lässt sich erklären: John le Carré hatte das Manuskript etwa zehn Jahre vor seinem Tod begonnen, es mehrmals überarbeitet, aber er starb am 12. Dezember 2020 im Alter von 89 Jahren, ohne es jemals abgeschlossen zu haben. Sein Sohn Nicholas Cornwell (*1972), der unter verschiedenen Pseudonymen wie zum Beispiel Nick Harkaway selbst Bücher schreibt, ergänzte das Manuskript um einige wenige Übergänge, und in dieser Form wurde „Silverview“ 2021 posthum veröffentlicht.

Den Roman „Silverview“ von John le Carré gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Achim Buch.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2021
Textauszüge: © Ullstein Buchverlage

John le Carré (Kurzbiografie)

John le Carré: Der Spion, der aus der Kälte kam (Verfilmung)
John le Carré: Dame, König, As, Spion (Verfilmung)
John le Carré: Die Libelle
John le Carré: Das Russland-Haus (Verfilmung)
John le Carré: Der Schneider von Panama (Verfilmung)
John le Carré: Der ewige Gärtner (Verfilmung)
John le Carré: Empfindliche Wahrheit
John le Carré: Federball

Niccolò Ammaniti - Lasst die Spiele beginnen
"Lasst die Spiele beginnen" ist keine gesellschaftskritische Satire, son­dern Klamauk. Teile der Handlung mögen als Groteske durchgehen, aber insgesamt fehlt es dem Roman von Niccolò Ammaniti an Esprit.
Lasst die Spiele beginnen

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.