Erika Mann


1869: Heinrich Mann (1840 – 1891), ein Senator und Getreidekaufmann der Hansestadt Lübeck vermählt sich mit der elf Jahre jüngeren Julia da Silva-Bruhns (»Dodo«, 1851 – 1923), der Tochter eines deutschstämmigen Farmers und einer Brasilianerin. Sie bekamen fünf Kinder: Heinrich (1871 – 1950), Thomas (1875 – 1955), Julia (»Lula«, 1877 – 1927), Carla (1881 – 1910) und Viktor (1890 – 1949).

13. Oktober 1891: Heinrich Mann stirbt. Es stellt sich heraus, dass sein Vermögen zusammengeschmolzen war. Das Familienunternehmen wird daraufhin aufgelöst; die Witwe Julia Mann zieht mit ihren drei jüngeren Kindern nach München, und die beiden älteren Söhne Heinrich und Thomas folgen nach dem Schulabschluss.

1901: Thomas Mann, der seit 1893 in München lebt, veröffentlicht seinen Roman »Buddenbrooks«. (Dafür bekommt er 1929 den Nobelpreis für Literatur.)

1904: Thomas Mann und Katharina (»Katia«) Pringsheim (1883 – 1980) begegnen sich.

Katia Pringsheim bestand 1901 als erste Frau in München das Abitur und studierte danach Naturwissenschaften. (Ab 1903 wurden Frauen in Bayern zum Studium zugelassen.)

Katias Vater ist der Münchner Mathematikprofessor Alfred Pringsheim (1850 – 1941); bei ihrer Mutter, der früheren Berliner Schauspielerin Hedwig Pringsheim (1855 – 1942), handelt es sich um die Tochter der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm (1831 – 1919). Die Familie bewohnt ein 1500 Quadratmeter großes Palais in der Arcisstraße, einem der Mittelpunkte des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens in München.

11. Februar 1905: Thomas Mann und Katia Pringsheim vermählen sich. Sie beziehen eine von Katias Vater eingerichtete Siebenzimmerwohnung mit Bad in der Nähe des Palais Pringsheim.

9. November 1905: Erika Mann wird zu Hause geboren. Geschwister: Klaus (1906), Golo (1909), Monika (1910), Elisabeth (1918), Michael (1919).

Während sich der Dichter jeden Vormittag in sein Arbeitszimmer zurückzieht und ihn dort niemand stören darf, kümmert sich Katia um die Kinder, den Haushalt, die Manuskripte und die Korrespondenz ihres Mannes. – »Das Arbeitszimmer des Vaters war ein heiliger Ort; abends durften sich die Kinder dort versammeln, wenn der Vater vorlas. Es roch nach Zigarren, nach Bücherstaub und Geheimnis.« (Irmela von der Lühe)

Juni 1908: Thomas Mann mietet oberhalb von Bad Tölz ein Ferienhaus. In der Nähe erwirbt er ein Grundstück, auf dem er ein eigenes Landhaus errichten lässt, das »Tölzhaus«. Dort verbringt die Familie ab 1909 die Sommermonate und bisweilen auch einige Zeit im Winter, bis das Anwesen 1917 gegen Kriegsanleihen verkauft wird.

Erika, die als einzige in der Familie bayrisch spricht, bringt selbst den Vater – für den sie den Namen »Zauberer« erfindet – zum Lachen, wenn sie andere Leute nachahmt.

Weil sie nicht nur Geschichten erfindet, sondern auch fortwährend lügt, macht die Mutter sich Sorgen und bringt ihren Mann dazu, dem siebenjährigen Kind ins Gewissen zu reden.

1910: Familie Mann richtet sich mit einer Kinderschwester, einer Gouvernante und zwei Hausangestellten in zwei verbundenen Vierzimmerwohnungen in der Mauerkircherstraße ein.

30. Juli 1910: Thomas Manns Schwester Carla vergiftet sich im Alter von achtundzwanzig Jahren im Haus ihrer Mutter.

1912: Aufgrund von Lungenbeschwerden reist Katia Mann zur Kur nach Davos. Weitere Sanatoriumsaufenthalte folgen in späteren Jahren.

1912 – 1914: Nach einem Jahr Privatunterricht besuchen Erika und Klaus Mann die Privatschule von Ernestine Ebermayer in Schwabing.

Erika Mann lernt schnell und verfügt über ein außergewöhnliches Gedächtnis. Sie langweilt sich in der Schule ebenso wie ihr Bruder Klaus.

Anfang 1914: Die Villa, die Thomas Mann in der Poschingerstraße bauen ließ, ist bezugsfertig.

1914: Obwohl die Familie Mann auch während des Kriegs keine Not leidet, müssen Erika und Klaus aus finanziellen Gründen in eine gewöhnliche Volksschule wechseln.

Aus Solidarität mit der Mitschülerin Lili Burger, die gehänselt wird, weil sich die Eltern keine Schuhe für sie leisten können, läuft auch Erika Mann bis in den Herbst hinein barfuß.

Zu den engsten Freunden von Erika und Klaus Mann zählten Richard (»Ricki«) Hallgarten (1905 – 1932), der Sohn des Juristen und Germanisten Robert Hallgarten (1870–1924) und der Frauenrechtlerin Constanze Hallgarten (1881–1969), sowie Lotte und Marguerite (»Gretel«) Walter (1903 – 1970; 1906 – 1939), die Töchter des Generalmusikdirektors Bruno Walter (1876 – 1962). Die »Herzogpark-Bande« denkt sich immer wieder neue Streiche aus. Eine unerfahrene Lehrerin kennt sich nicht mehr aus, als sie von den sonst so ungezogenen Schülerinnen Erika Mann und Gretel Walter mit Knicks und gefalteten Händen begrüßt wird. Danach ist Erikas wieherndes Lachen zu hören. Bei anderen Gelegenheiten demonstriert Erika Mann ihr Talent zur Imitation, gibt sich mit verstellter Stimme am Telefon als die umschwärmte Sängerin Delia Reinhardt aus und bittet alle möglichen Mitschülerinnen zum Tee, oder sie lädt ein Ehepaar bei einem anderen zum Abendessen ein.

Sommer 1918: Thomas Mann mietet ein Gehöft in Abwinkl am Tegernsee (»Defreggerhaus«).

1. Januar 1919: Erika und Klaus, die enfants terribles der Familie Mann, gründen mit ihren Freunden – zu denen nun auch Erika Marcks, die Tochter des Historikers Erich Marcks gehört – einen Theaterbund. Innerhalb von drei Jahren führt der Theaterbund acht Stücke im privaten Rahmen auf.

In einer Confiserie am Odeonsplatz lenkt Erika die Verkäuferin ab, während ihre Komplizen Pralinen stehlen. Ladendiebstahl, das geht Katia Mann zu weit:

März 1922: Um Erika und Klaus zu disziplinieren, schicken die Eltern sie in die reformpädagogische »Bergschule Hochwaldhausen« bei Fulda. Dort bleibt Erika nur vier Monate; dann kehrt sie nach München zurück und bereitet sich auf die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium vor.

1923: Klaus und Erika Mann freunden sich mit Theodor Lücke an, einem erfolgreichen Devisenspekulanten, der fünf Jahre älter als Erika ist. Während Lücke sich gern in der Gesellschaft der Kinder des berühmten Dichters Thomas Mann zeigt, genießen diese das Essen in teuren Restaurants und die Darbietungen in exklusiven Nachtlokalen.

Frühjahr 1924: Nach dem Abitur im März und einem Kurzurlaub mit der Familie auf Hiddensee mietet Erika Mann ein Zimmer in Berlin, um sich dort bei Max Reinhardt und dem Stimmbildner Oskar Daniel zur Schauspielerin ausbilden zu lassen.

Sommer 1924: Klaus Mann folgt seiner Schwester nach Berlin.

März 1925: Erika Mann erhält ein erstes Engagement in Bremen.

Herbst 1925: Erika und Klaus Mann lernen in Hamburg den Schauspieler Gustaf Gründgens (1899 – 1963) kennen.

22. Oktober 1925: Premiere des Stücks »Anja und Esther« von Klaus Mann an den Kammerspielen in Hamburg. Es spielen der Autor, seine Schwester Erika, seine Verlobte Pamela Wedekind und Gustaf Gründgens, der auch Regie führt. Erika Manns schauspielerische Leistung in der Rolle der Anja wird zwar anerkannt, aber das »romantische Stück in sieben Bildern« gilt als skandalös, weil es von lesbischer Liebe handelt. – Erika Mann soll auch im wirklichen Leben in Pamela Wedekind verliebt gewesen sein.

4. November 1925: Die Aufführung des Stücks »Anja und Esther« in Darmstadt löst eine Debatte im hessischen Landtag aus.

24. Juli 1926: Erika Mann und Gustaf Gründgens heiraten in München, obwohl sie beide daran zweifeln, dass die Ehe Bestand haben wird. Trauzeugen sind Thomas Mann und Katias Zwillingsbruder Klaus. Inoffiziell behält »Frau Gründgens« ihren bisherigen Namen. Die Hochzeitsfeier findet im Hotel »Kaiserin Elisabeth« in Feldafing statt. In der gemeinsamen Wohnung in Hamburg lehnt Erika Mann es ab, hausfrauliche Pflichten zu übernehmen, und sie verärgert ihren Mann mit unbesorgtem Geldausgeben.

Oktober 1926: Erika Mann liest im Berliner Rundfunk aus »Der Zauberberg«.

Klaus Mann verlässt Paris und findet Unterschlupf bei seiner Schwester und seinem Schwager in Hamburg.

21. April 1927: Premiere des Stücks »Revue zu Vieren« von Klaus Mann im Alten Theater in Leipzig. Die Musik schrieb Klaus Pringsheim. Das Bühnenbild stammte von Thea (»Mopsa«) Sternheim, die 1907 in zweiter Ehe den Dramatiker Carl Sternheim (1878 – 1942) geheiratet hatte. Ursprünglich sollte Gustaf Gründgens wieder Regie führen, aber er überließ die Inszenierung Pamela Wedekind und übernahm nur eine der Rollen. »Verfolgt von den Flüchen sächsischer Kritiker« (Klaus Mann) gingen die Freunde mit »Revue zu Vieren« auf Tournee: Berlin, Breslau, Budapest, Cottbus, Dresden, Hamburg, Kopenhagen, München, Prag, Wien.

August 1927: Während Erika Mann an den Kammerspielen in München auftritt, wohnt sie mit Klaus in einem Hotel am Starnberger See.

7. Oktober 1927: Die unzertrennlichen Geschwister schiffen sich in Rotterdam nach New York ein, um auf andere Gedanken zu kommen.

In New York treffen sie sich mit Ricky Hallgarten, der sich hier seit einem Jahr mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt. Obwohl ihre Ersparnisse gerade für die Schiffspassage über den Atlantik reichten, reisen sie auf Pump quer durch die USA nach Kalifornien, nach Honolulu, Japan, Korea, China und fahren mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Russland. (Die letzten Schulden begleicht Thomas Mann aus den Mitteln seines Nobelpreises.)

Januar 1928: Weil Pamela Wedekind inzwischen beabsichtigt, den achtundzwanzig Jahre älteren Dramatiker Carl Sternheim zu heiraten, wird ihre Verlobung mit Klaus Mann aufgelöst.

Sommer 1928: Rückkehr nach Deutschland. Die ehelichen Beziehungen zu Gustaf Gründgens nimmt Erika nicht wieder auf. Die Geschwister ziehen wieder ins Elternhaus in München-Bogenhausen, sind aber viel auf Reisen, Klaus aus eigenem Antrieb, Erika aufgrund ihrer Bühnen-Engagements.

Weil Erika Mann von ihren Gagen nicht leben kann, überredet ihr Bruder sie zum Schreiben. Sie schreibt für verschiedene Zeitungen. In der Zeit von Ende September 1928 bis Ende Januar 1933 veröffentlicht sie um die hundert Glossen, Reportagen, Rezensionen, Erzählungen und Gedichte.

9. Januar 1929: Erika Mann und Gustaf Gründgens lassen sich scheiden.


Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. © Piper Verlag 2009

Ein literarisches Porträt von Erika Mann finden Sie in dem Buch
„AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts“ von Dieter Wunderlich.
Piper Verlag, München 2009 – Leseprobe


Sommer 1929: Erika Mann verfasst ihr erstes Bühnenstück: »Hotels«.

1. Oktober 1929 – 31. Januar 1930: Engagement Erika Manns am Bayerischen Staatstheater.

11. März 1930: Urauführung des Boulevardstücks »Die liebe Feindin« von André-Paul Antoine an den Kammerspielen in Berlin unter der Regie von Gustaf Gründgens. Das Stück, in dem Erika Mann mitspielt, ist so erfolgreich, dass die Spielzeit verlängert wird. Weil Erika Mann es vorzieht, wie geplant mit ihrem Bruder Klaus nach Nordafrika zu reisen, überwirft sie sich endgültig mit Gustav Gründgens. Marianne Hoppe springt für sie ein.

Ende März 1930: Die begeisterte und rasante Autofahrerin Erika Mann lässt sich in München mehrere Wochen lang von einem Automechaniker einweisen. Dann fährt sie mit ihrem Bruder Klaus, der erst seit kurzem einen Führerschein besaß, im Auto nach Nordafrika. Während des dreiwöchigen Aufenthalts in Fez probiert Erika Haschisch aus und erlebt einen »Horrortrip« (Klaus Mann). Über Sizilien und Rom kehren sie nach München zurück, wo sie im Mai eintreffen.

September 1930: Erika Mann lernt in München die Schweizer Fabrikantentochter Annemarie (»Miro«) Schwarzenbach (1908 – 1942) kennen. Die androgyne Schönheit verliebt sich in Erika. Die beiden Frauen unternehmen mehrere gemeinsame Reisen.

24. Mai – 6. Juni 1931: Erika Mann beteiligt sich an einer 10 000-Kilometer-Autorallye durch Europa. Als Beifahrer wählt sie Ricki Hallgarten, um den selbstmordgefährdeten manisch-depressiven Freund auf andere Gedanken zu bringen. Sie schaffen es auf den ersten Platz.

27. November 1931: Premiere des nach dem Bühnenstück »Gestern und heute« von Christa Winsloe gedrehten Kinofilms »Mädchen in Uniform« (Regie: Christa Winsloe). Erika Mann spielt darin die Erzieherin Fräulein von Atems.

Dezember 1931: Familie Mann hört eine Hörspielbearbeitung des Goethe-Dramas »Torquato Tasso« mit Erika Mann in der Rolle der Leonore Sanvitale, Gräfin von Scandiano.

14. Dezember 1931: Erika Manns Weihnachtsspiel »Jans Wunderhündchen« wird im Hessischen Landestheater in Darmstadt uraufgeführt.

13. Januar 1932: Weil Erika Mann trotz des Winters im offenen Auto mit ihrem Bruder Klaus nachts von Berlin nach München fuhr, ist sie stark erkältet. Dennoch tritt sie, wie vorgesehen, am Abend im Unions-Saal in München als Rezitatorin bei einer pazifistischen Veranstaltung des »Frauenweltbundes für Internationale Eintracht« und des »Weltfriedensbundes der Mütter und Erzieherinnen« auf. SA-Männer stören ihren Vortrag.

16. Januar 1932: Unter der Schlagzeile »Pazifistenskandal in München« protestiert der »Völkische Beobachter« über die Veranstaltung. Die Schauspielerin Erika Mann erhält so gut wie keine Angebote mehr.

5. Mai 1932: Ricki Hallgarten erschießt sich in seinem Sommerhaus in Utting am Ammersee. Für den nächsten Tag hatten er, Erika, Klaus und Annemarie Schwarzenbach ihre Abreise nach Persien geplant. Dass Erika Mann ihn nicht vom Suizid abhalten konnte, macht ihr schwer zu schaffen.

Sommer 1932: Aus politischen Gründen kündigt der Verkehrsverein Weißenburg den mit Erika Mann geschlossenen Vertrag für die Freilichtbühne Bergwaldtheater. Erika Mann klagt dagegen, lässt sich aber auf einen Vergleich ein. Weil der Oberbürgermeister sich Erika Mann und ihren »Judenanwälten« nicht beugen will, beschlagnahmt der Gerichtsvollzieher Anfang 1933 den Theaterfundus. Die nationalsozialistische Presse wirft Erika Mann daraufhin vor, aus Geldgier eine Kultureinrichtung zu ruinieren.

Herbst 1932: Erika Manns erstes Kinderbuch erscheint: »Stoffel fliegt über das Meer«.

1. Januar 1933: Erika und Klaus Mann, Magnus Henning (1904 – 1995) und Erikas Freundin Therese Giehse (1898 – 1975), eine der berühmtesten Schauspielerinnen in Deutschland, eröffnen mit einigen Freunden in dem Nachtlokal »Bonbonniere« am Platzl in München das Kabarett »Die Pfeffermühle«. Bis 31. Januar spielen sie en suite das erste, rund zwanzig Songs und Sketches umfassende Programm. Am 1. Februar folgt das zweite Programm.

Weil die jeden Abend ausverkaufte »Bonbonniere« offenbar zu klein ist, mietet Erika Mann den Saal der Schwabinger Gaststätte »Serenissimus«. Dort soll am 1. April das dritte Programm präsentiert werden, aber dazu kommt es aufgrund der politischen Ereignisse nicht mehr.

26. Februar 1933: Thomas und Katia Mann treffen in der Schweiz ein, um sich dort nach einer Vortragsreise zu erholen.

27. Februar 1933: Reichstagsbrand.

Aufgrund der politischen Entwicklung drängen Erika und Klaus Mann ihre Eltern, nicht nach Deutschland zurückzukehren.

29. Februar 1933: Erika und Klaus Mann brechen zu einem Skiurlaub in die Schweiz auf.

10. März 1933: Erika und Klaus Mann kehren nach München zurück. Der Chauffeur der Familie, der die Manns vermutlich seit einiger Zeit für die Nationalsozialisten ausspionierte, warnt die Geschwister, sich nicht länger als nötig in München aufzuhalten.

12. März 1933: Erika packt zusammen, was ihr Vater an Manuskripten in der Schweiz benötigt, verlässt München und trifft drei Tage später bei ihren Eltern in Arosa ein, wo sie unverzüglich die Wiedereröffnung der »Pfeffermühle« vorbereitet, Räumlichkeiten sucht und sich um behördliche Genehmigungen bemüht.

13. März 1933: Klaus Mann setzt sich nach Paris ab.

April 1933: Renée Schwarzenbach-Wille, die mit den Nationalsozialisten sympathisierende Mutter von Annemarie Schwarzenbach, erteilt Erika Mann ein Hausverbot.

12. Juni 1933: Thomas und Katia Mann ziehen nach Sanary-sur-Mer.

August 1933: Die Nationalsozialisten beschlagnahmen die Villa der Familie Mann in München-Bogenhausen und zwingen die jüdische Familie Pringsheim, ihr Palais in der Arcisstraße zu verkaufen. (Es wird 1935 abgerissen, um Platz für »Führerbauten« zu schaffen.)

27. September 1933: Thomas und Katia Mann ziehen mit ihren jüngsten Kindern Elisabeth und Michael in das Haus, das Erika für sie in Küsnacht am Zürichsee gefunden hat.

30. September 1933: »Die Pfeffermühle« eröffnet erfolgreich im Tanzsaal des Zürcher Gasthofs »Zum Hirschen«. Impresario ist der Berner Theateragent Hans Keiser.

November / Dezember 1933: Erfolgreiche Tournee der »Pfeffermühle« in der Schweiz (Basel, Bern, Schaffhausen, St. Gallen Winterthur).

Um Geld zu verdienen, übernimmt Erika Mann die »künstlerische Leitung« der Modenschau des Zürcher Warenhauses »Globus«. Weil sie keine Arbeitserlaubnis hat, ermittelt die Fremdenpolizei gegen sie.

1. Januar 1934: Zweites Schweizer Programm und zweite Tournee der »Pfeffermühle«.

Thomas Mann wird von seinem Verleger Gottfried Bermann Fischer (1897 – 1995) vor den Folgen der Kritik seiner Tochter Erika am Nationalsozialismus gewarnt und gedrängt, nach Deutschland zurückzukehren. Er hält zwar an seinem Verleger fest, folgt aber nicht dessen Rat und besucht auch weiterhin Vorstellungen der »Pfeffermühle«.

10. April 1934: Über Erika Mann wird eine Ausbürgerungsakte angelegt und bis 1941 geführt.

Mai / Juni 1934: Tournee der »Pfeffermühle« in Holland.

August 1934: Aufführung der »Pfeffermühle« im Teatro San Materno auf dem Monte Verità in Ascona.

3. Oktober 1934: Premiere des dritten Schweizer Programms der »Pfeffermühle« in Basel.

16. November 1934: Krawall bei einer Aufführung der »Pfeffermühle« im Zürcher Kursaal. 24 Personen werden festgenommen.

20. November 1934: Erika Mann gibt bei der Stadtpolizei Zürich eine eidesstattliche Erklärung über Störungen durch Rechtsradikale bei Vorstellungen der »Pfeffermühle« ab. Als Drahtzieherin der Krawalle verdächtigt sie Renée Schwarzenbach-Wille.

Januar 1935: Selbstmordversuch von Annemarie Schwarzenbach.

Gastspiel in Prag. In den nächsten eineinhalb Jahren finden 85 Gastspiele der »Pfeffermühle« in der Tschechoslowakei, in Holland, Belgien, Luxemburg und in der Schweiz statt.

11. Juni 1935: Erika Mann wird von den Nationalsozialisten ausgebürgert.

12. Juni 1935: Um die britische Staatsbürgerschaft zu bekommen, fährt Erika Mann nach London. Der Schritt ist seit längerer Zeit vorbereitet. Durch Vermittlung eines gemeinsamen Freundes hat sich der homosexuelle englische Lyriker Wystan H. Auden (1907 – 1973), ein Bewunderer von Thomas Mann, bereit erklärt, mit ihr eine Scheinehe zu schließen, ohne sie jemals gesehen zu haben.

15. Juni 1935: Eheschließung in Ledbury (Worcestershire). Erika Mann reist zwar am nächsten Tag ab, aber sie und Wystan H. Auden werden Freunde und nutzen später jede Gelegenheit, sich zu sehen.

Juni / Juli 1935: »Die Pfeffermühle« gastiert mit einer stark zensierten Fassung in der Tschechoslowakei.

11. Januar 1936: Leopold Schwarzschild, der Herausgeber der Exilzeitschrift »Das Neue Tage-Buch«, berichtet über Pläne des Verlegers Gottfried Bermann Fischer, mit dem Reichspropagandaministerium zusammenzuarbeiten und verunglimpft ihn.

18. Januar 1936: Thomas Mann, Hermann Hesse und Annette Kolb sprechen Gottfried Bermann Fischer in der »Neuen Zürcher Zeitung« ihr Vertrauen aus.

19. Januar 1936: Erika Mann protestiert gegen die Solidaritätsadresse in einem Brief, den sie ihrem Vater aus Biel schreibt. Es kommt zu einem ernsten Streit.

3. Februar 1936: In einem offenen Brief an die »Neue Zürcher Zeitung« distanziert sich Thomas Mann unmissverständlich vom »Dritten Reich« und bekennt sich zur Emigration. Daraufhin versöhnt Erika sich mit ihm.

26. April 1936: 1000. Vorstellung der »Pfeffermühle« in Amsterdam.

20. Mai 1936: Therese Giehse und der von Wystan H. Auden dazu überredete ebenfalls homosexuelle Schriftsteller John Hampson-Simpson heiraten zum Schein, damit die Deutsche einen englischen Pass bekommt.

14. August 1936: Private, von Max Reinhardt inszeniert Abschiedsvorstellung der »Pfeffermühle« auf Schloss Leopoldskron in Salzburg. Unter den sechzehn geladenen Gästen ist Marlene Dietrich.

Ende September 1936: Erika und Klaus Mann treffen in New York ein.

Mit Verve stürzt Erika Mann sich in die Vorbereitungen einer Neugründung der »Pfeffermühle« in den USA. Sie schließt einen Vertrag mit der Columbia Concert Corporation, gibt Übersetzungen in Auftrag, sucht einen Saal im Chanin Building aus und findet Sponsoren, darunter Vicki Baum, Alfred Knopf und Max Reinhardt.

5. Januar 1937: Premiere der »Peppermill« in New York. Die Kritiken sind vernichtend. Die geplante Tournee wird abgesagt. Therese Giehse und Magnus Henning kehren im Februar nach Europa zurück.

15. März 1937: Erika Mann tritt als Rednerin bei der vom American Jewish Congress und Jewish Labour Committee organisierten »Peace and Democracy Rally« im »Madison Square Garden« in New York vor 23 000 Menschen auf und spricht eine Viertelstunde über »Die Frau im Dritten Reich«. Damit beginnt Erika Mann eine neue Karriere als Rednerin.

Erika Mann ruft zum Boykott deutscher Erzeugnisse auf.

Der Bankier Maurice Wertheim (1886 – 1950) übernimmt die Schulden der »Peppermill«, bezahlt Erika Mann die Hotels und bittet sie um ihre Hand. Klaus drängt seine Schwester, darauf einzugehen, aber sie lehnt Wertheims Heiratsantrag ab – worüber der Schriftsteller Martin Gumpert (1897 – 1955), ein anderer Verehrer Erika Manns, erleichtert ist. Gumpert droht sich umzubringen, falls sie ihn zurückweisen sollte. Sie leben einige Jahre zusammen.

Frühjahr 1937: Erika Mann lässt ein wohl von Martin Gumpert gezeugtes Kind abtreiben.

Sommer 1937: Erika Mann reist für zwei Monate nach Europa. Ende Juli kehrt sie nach New York zurück.

Herbst 1937 / Frühjahr 1938: Erika Mann unternimmt die erste mehrerer Lecture Tours quer durch die USA. Sie ist jeweils fünf Monate lang unterwegs und hält pro Woche vier bis fünf Reden. Organisiert werden die Vortragsreisen von der Agentur Feakins in New York.

Dezember 1937: Während eines zehntätigen Urlaubs mit Annemarie Schwarzenbach außerhalb von New York schließt Erika Mann ihr Buch über das Unterrichtswesen des NS-Regimes ab: »School for Barbarians« (»Zehn Millionen Kinder«). Es erscheint im Juli 1938.

Februar / März 1938: Erika und Katia Mann begleiten Thomas Mann auf einer Lecture Tour durch die USA.

Juni 1938: Erika und Klaus Mann fahren im Auftrag einer französischen Tageszeitung von Paris nach Spanien und bereisen drei Wochen lang die Iberische Halbinsel, um sich ein Bild vom Spanischen Bürgerkrieg (1936 – 1939) zu machen.

18. Juli 1938: Erika und Klaus Mann treffen sich mit Eltern und Geschwistern in Küsnacht.

29. August 1938: Erika Mann besucht erneut die Eltern in Küsnacht und hilft ihnen packen.

15. September 1938: Thomas und Katia Mann lösen den Haushalt in Küsnacht auf.

18. September 1938: Während Erika Mann als Journalistin in der Tschechoslowakei recherchiert, emigrieren Thomas und Katia Mann mit ihrer Tochter Elisabeth in die USA.

20. Oktober 1938: Erika Mann trifft wieder in New York ein.

17. Dezember 1938: In einem Leitartikel im »The Monitor«, dem offiziellen Organ des Erzbischofs von San Francisco wird Erika und Klaus Mann nach einer gemeinsamen Rede vorgeworfen, das Gastrecht zu missbrauchen, um kommunistische Agitation zu betreiben und ihr Vaterland schlecht zu machen.

22. Mai 1939: Der Selbstmord des mit ihnen befreundeten Dramatikers Ernst Toller in New York ist ein Schock für Erika und Klaus Mann. Seine Ehe war 1938 gescheitert, und seine Exfrau Christiane Grautoff hatte sich in Martin Gumpert verliebt – der wiederum nicht ohne Erika Mann leben will. Erika Mann kümmert sich um die Beerdigung Tollers.

6. Juni 1939: Erika Mann begleitet ihre Eltern auf einer mehrmonatigen Europa-Reise und nimmt auch den mit ihr und Klaus befreundeten Verleger Fritz Helmut Landshoff (1901 – 1988) mit, und zwar in der Hoffnung, ihn von seiner Drogensucht zu befreien und vom Selbstmord abzuhalten. Um ihr Ziel zu erreichen, wäre sie sogar bereit gewesen, mit ihm zusammenzuleben. Anders als ihre Schwester Elisabeth ist sie allerdings nicht in Landshoff verliebt.

Juli 1939: Erika Mann lässt Fritz Landshoff auf seinen Wunsch in Amsterdam zurück und verbringt einige Zeit mit Therese Giehse in Arosa.

21. August 1939: Der Filmproduzent Robert Neppach (1890 – 1939) erschießt seine getrennt von ihm lebende Ehefrau Gretel Walter und dann sich selbst. Bestürzt nimmt Erika Mann an der Trauerfeier im Zürcher Krematorium teil.

26. August 1939: Erika Mann kommt zu spät nach Rotterdam, verpasst ihr Schiff und verliert ihr gesamtes Gepäck einschließlich der Manuskripte für zwei Bücher. Nach zwei Tagen erhält sie einen Teil des Gepäcks – darunter die Manuskripte – zurück.

30. August 1939: Erika Mann fliegt zu ihren Eltern, die sich in Stockholm aufhalten. Dort werden sie vom Kriegsbeginn überrascht.

9. September 1939: Thomas, Katia und Erika Mann fliegen nach England und gehen dort an Bord eines Schiffs nach Amerika.

19. September 1939: Thomas, Katia und Erika Mann treffen in den USA ein. Martin Gumpert holt sie im Hafen von New York ab.

31. Oktober 1939: Katia Manns Eltern Alfred und Hedwig Pringsheim emigrieren in die Schweiz.

Juni 1940: Erika Mann bietet Justizminister Francis Beverly Biddle (1886 – 1968) an, Nationalsozialisten unter den Emigranten zu enttarnen. Er geht nicht darauf ein, aber das FBI legt eine Akte über Erika Mann an, die bis 1954 geführt wird und am Ende 200 Seiten umfasst.

Thomas und Katia Mann beschließen, von Princeton nach Kalifornien umzuziehen, und Erika Mann sucht ein geeignetes Haus.

21. August 1940: Erika Mann reist von von New York nach Lissabon.

August – Oktober 1940: Erika Mann spricht in London neunmal über BBC zu den Deutschen und versucht, ihnen die Sinnlosigkeit des Kriegs vor Augen zu führen.

17. September 1940: Der britische Passagierdampfer »City of Benares«, mit dem Erikas Schwester Monika und ihr Ehemann, der ungarische Kunsthistoriker Jenö Lányi von London in die USA reisen wollen, wird von einem deutschen U-Boot im Atlantik versenkt. Jenö Lányi gehört zu den Todesopfern; Monika Mann überlebt und wird in ein schottisches Krankenhaus gebracht.

März 1941: Thomas und Katia Mann ziehen vorübergehend in ein Mietshaus bei Los Angeles.

Juni – September 1941: Erneut spricht Erika Mann in London über BBC zu den Deutschen.

September 1941: Beim Internationalen PEN-Kongress in London erklärt Erika Mann, wer verhindern wolle, dass die Deutschen wieder einen Krieg anfangen, müsse sie systematisch umerziehen, denn ihr Denken sei vergiftet.

Februar 1942: Die von Thomas Mann in Pacific Palisades bei Los Angeles errichtete Villa ist bezugsfertig.

7. September 1942: Annemarie Schwarzenbach stürzt mit dem Fahrrad und fällt aufgrund einer schweren Kopfverletzung ins Koma.

15. November 1942: Annemarie Schwarzenbach stirbt.

April 1943: Erika Mann reist nach London.

Juli / August 1943: Von London aus reist Erika Mann als amerikanische Kriegskorrespondentin mit britischem Pass nach Kairo, Jerusalem, Tel Aviv, Marokko, Algier, Teheran und Bagdad.

Oktober 1943: Erika Mann kehrt in die USA zurück.

6. Juni 1944: D-Day.

25. August 1944: Erika Mann beobachtet, wie Charles de Gaulle an der Spitze seiner Truppen feierlich durch den Arc de Triomphe und über die Champs Elysées in Paris einmarschiert.

Zweite Hälfte des Jahres 1944: Erika Mann verfolgt ein halbes Jahr lang die Invasion der Alliierten als Kriegsreporterin.

21. Oktober 1944: Erika Mann beobachtet die Einnahme Aachens durch die Alliierten.

Winter 1944/45: Unter dem Vorwand, sie sei an einem Stimmbänderkatarrh erkrankt, sagt Erika Mann ihre geplante Lecture Tour ab und verbringt Weihnachten in der Schweiz.

Silvester 1944: Erika Mann bringt Betty Knox mit nach Hause, die ebenfalls als Kriegskorrespondentin arbeitet und mit der zusammen sie 1943 in Nordafrika und 1944 in der Normandie war. Erstaunt erleben die Manns, wie unbekümmert sich die Amerikanerin in der familiären Umgebung des Nobelpreisträgers bewegt. Katia und Klaus Mann durchschauen, dass die beiden Frauen eine lesbische Beziehung haben.

26. März 1945: Bruno Walters Ehefrau, die frühere Sopranistin Elsa Korneck, stirbt an den Folgen eines Schlaganfalls. Erika Mann, die seit Beginn der Vierzigerjahre eine Liebesbeziehung mit dem neunundzwanzig Jahre älteren Dirigenten hat, von dem nur ihr Bruder Klaus und ihre Mutter Katia etwas wissen, macht sich keine Illusionen, dass sie und Bruno Walter nun ein Paar werden können.

Sommer 1945: Erika Mann besichtigt München und andere zerstörte deutsche Städte. Sie trägt eine amerikanische Uniform und vermeidet es nach Möglichkeit, deutsch zu sprechen. Entrüstet ist sie darüber, dass die Deutschen, die sie befragt, so tun, als habe es sich bei den Nationalsozialisten nur um eine kleine Verbrecherbande außerhalb der Gesellschaft gehandelt. Mit diesen Deutschen will Erika Mann nichts mehr zu tun haben.

August 1945: Als einzige weibliche Journalistin erhält Erika Mann Zugang zu dem Hotel in Mondorf bei Merzig an der deutsch-luxemburgischen Grenze, wo Hermann Göring und andere Hauptkriegsverbrecher interniert sind. Allerdings darf sie nicht mit ihnen reden.

In München-Geiselgasteig interviewt Erika Mann die Ehefrau des im Mai 1941 nach Schottland geflogenen und seither dort internierten Stellvertreters des »Führers«, Ilse Heß, ohne sich als Tochter von Thomas Mann erkennen zu geben. Anschließend berichtet sie in einer englischen Zeitung, dass Ilse Heß noch nicht einmal von Konzentrationslagern gewusst haben will, geschweige denn vom Holocaust.

20. November 1945: Erika Mann verfolgt den Beginn des Nürnberger Prozesses.

Bei den Nürnberger Prozessen begegnet ihr Wilhelm Emanuel Süskind (1901 – 1970), mit dem sie und Klaus nach dem Ersten Weltkrieg in München eng befreundet waren. Der Kontakt war abgebrochen, als er sich mit den Nationalsozialisten arrangiert hatte. Er geht auf Erika Mann zu, um sie zu begrüßen, aber sie tut so, als sähe sie ihn nicht.

Weihnachten 1945: Erika Mann verbringt das Fest in Zürich.

Frühjahr 1946: Erika Mann bricht ihre Europa-Reise ab und fliegt nach Chicago, um ihrem Vater beizustehen, der im Billings Hospital an der Lunge operiert wird.

August 1946: Erika Mann kommt nach Pacific Palisades und schlägt ihrem Vater erhebliche Kürzungen des Romans »Doktor Faustus« vor, die er akzeptiert.

Mai – September 1947: Erika Mann begleitet ihre Eltern auf einer Europa-Reise und bleibt nach deren Rückreise im August noch einen Monat länger.

Winter 1947/48: Während Erika Mann bei der Lecture Tour im Jahr zuvor 92 Auftritte hatte, kommt sie nicht einmal mehr auf zwanzig. Die Amerikaner verdächtigen sie, mit den Kommunisten zu sympathisieren und boykottieren sie.

27. Januar 1948: Erika Mann unterzieht sich einer Unterleibsoperation.

Februar 1948: Thomas Mann beauftragt seine Tochter Erika, ihm bei der Arbeit zu assistieren und seinen Nachlass zu verwalten.

Frühjahr 1948: Erika Mann muss einen weiteren chirurgischen Eingriff vornehmen lassen.

11. Juli 1948: Ein Suizid-Versuch Klaus Manns scheitert.

9. August 1948: Erika Mann beteiligt sich am »Town Meeting of the Air« in Stockton, Kalifornien, einer beliebten Podiumsdiskussion im Hörfunk. Es geht um die Frage, was die Westalliierten in der Berlin-Frage unternehmen sollen. Erika Mann vertritt die Ansicht, dass die Berlin-Blockade einen Bruch des Potsdamer Abkommens bedeutet, weist aber auch darauf hin, dass dies auch für die Währungsreform gelte, mit der offenbar die Bildung eines westdeutschen Staates vorbereitet werde. Außerdem plädiert sie dafür, dass die amerikanische Regierung versuchen soll, sich mit der sowjetischen über das weitere Vorgehen zu verständigen. Daraufhin wird Erika Mann in der US-Presse scharf angegriffen: Man beschuldigt sie, Stalinistin zu sein und politische Propaganda für die UdSSR zu betreiben. Fälschlicherweise wird behauptet, sie habe sich 1945 in Potsdam mit Wilhelm Pieck getroffen. Erika Mann will sich mit juristischen Mitteln wehren, aber ihr Anwalt bringt sie davon ab.

Herbst 1948: Bruno Walter holt die Sängerin Delia Reinhardt (1892 – 1974) nach Kalifornien und kauft ihr ein Haus in seiner Nachbarschaft. Seine Beziehung zu Erika Mann beschränkt er nun wieder auf eine väterliche Freundschaft.

März 1949 – April 1950: FBI-Agenten erkundigen sich bei vierzehn Bekannten Erika Manns über sie.

20./21. Mai 1949: Klaus Mann nimmt sich mit einer Überdosis Schlaftabletten in Cannes das Leben. Erika Mann erhält die Nachricht vom Tod ihres geliebten Bruders in Schweden, wo sie sich mit den Eltern aufhält. Sie erbt die Urheberrechte und kümmert sich um den literarischen Nachlass von Klaus Mann.

Sommer 1949: Thomas Mann nimmt die Einladungen an, anlässlich des 200. Geburtstags von Johann Wolfgang von Goethe Festvorträge in der Frankfurter Paulskirche und in Weimar zu halten. Vergeblich versucht Erika Mann, ihn von Auftritten in Deutschland abzuhalten, denn sie hasst das Land aufgrund des »Dritten Reichs«. Darüber kommt es wie 1936 zu einem ernsten Streit zwischen Vater und Tochter.

30. März 1950: Zwei Beamte der Einwanderungsbehörde befragen Erika Mann.

11. Dezember 1950: Erika Mann zieht ihren Einbürgerungsantrag zurück.

April 1951: Aus Erika Manns Unterleib wird ein Tumor entfernt.

Eine Behandlung gegen ihre Tablettensucht bricht sie vorzeitig ab.

Oktober 1951: Erika Mann wird von zwei FBI-Agenten befragt.

Juli 1952: Als der amerikanische Joseph McCarthy eine hysterische Verfolgung potenzieller Kommunisten und ihrer Sympathisanten organisiert, verlassen Thomas, Katia und Erika Mann die USA.

Weihnachten 1952: Sie beziehen vorläufig ein Haus in Erlenbach bei Zürich.

1953: Bei der Verfilmung des Romans »Königliche Hoheit« (1909) von Thomas Mann unter der Regie von Harald Braun wirkt Erika Mann als Beraterin mit, und sie übernimmt auch die Rolle der Oberschwester Amalie.

Anfang 1954: Thomas Mann kauft ein Haus in Kilchberg am Zürichsee.

Juni 1954: Mit einer Schlafkur in einer Klinik bei München versucht Erika Mann, von ihrer Nikotin- und Alkoholsucht loszukommen. Seit den Lecture Tours nimmt sie abwechselnd Aufputsch- und Beruhigungsmittel [Designerdrogen] und injiziert sich hin und wieder Opiate.

Mai 1955: Thomas Mann hält in Stuttgart und Weimar eine Rede anlässlich des 150. Todestages von Friedrich von Schiller. Diesmal protestierte Erika nicht gegen Auftritte in Deutschland. Sie half mit, den Text von 120 auf 20 Seiten zu kürzen und begleitete ihre Eltern.

Juni 1955: Wegen eines Magenleidens reist Erika Mann zur Kur nach Luzern.

Juli 1955: Erika Mann fliegt nach London, um Bertrand Russell, E. M. Forster, Arnold Toynbee und andere Repräsentanten der Kultur für ein Projekt ihres Vaters zu gewinnen: einen Friedensappell und ein Manifest über die ökologische Verantwortung der Menschheit.

12. August 1955: Thomas Mann stirbt und kann sein Vorhaben nicht mehr verwirklichen.

1956: Erika Mann, die sich nun ganz auf den Nachlass ihres Vaters konzentriert, editiert als erstes eine Neuausgabe der 1918 veröffentlichten »Betrachtungen eines Unpolitischen«.

24. Januar 1957 – 4. März 1957: Dreharbeiten zur Verfilmung des Romans »Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull« unter der Regie von Kurt Hoffmann. Erika Mann fungiert als Beraterin des Drehbuchautors Robert Thoeren.

Januar 1958: Erika Mann tritt aus dem PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland aus.

Frühjahr 1958: Erika Mann verfängt sich im Haus in Kilchberg mit den Füßen im Saum ihres Bademantels und stürzt auf der Treppe. Dabei bricht sie sich den linken Mittelfußknochen.

1959: Auch bei der Verfilmung des Romans „Buddenbrooks“ unter der Regie von Alfred Weidenmann ist Erika Mann als Beraterin tätig.

September 1960: Erika Mann stürzt erneut und bricht sich den Oberschenkelhals.

Sie leidet unter progressiver Atrophie, Bronchitis, Magen- und Kreislaufbeschwerden.

1960 – 1965: Erika Mann veröffentlicht in drei Bänden knapp 1300 Briefe ihres Vaters, die sie aus 10 000 Briefen ausgewählt hat. Um Wiederholungen zu vermeiden, aber auch um Thomas Mann makellos erscheinen zu lassen, hält sie Briefe zurück und streicht Passagen. Kritiker bemängeln das und werfen ihr Dilettantismus vor.

7. Oktober 1963: Gustaf Gründgens stirbt in Manila an einer Überdosis Schlafmittel.

31. März 1964: Gustaf Gründgens‘ Adoptivsohn Peter Gorski klagte vor dem Landgericht Hamburg gegen die geplante erste Veröffentlichung des Romans »Mephisto« von Klaus Mann in der Bundesrepublik Deutschland.

Mai 1964: Nach einer Hüftoperation im Nuffield Orthopaedic Centre in Oxford kann Erika Mann nicht mehr ohne Krücken gehen. Aber sie kauft sich einen Sportwagen mit Automatikgetriebe und fährt damit beispielsweise zum Opernbesuch nach München.

9. Juni 1966: Nach Abschluss des Hauptverfahrens untersagt das Oberlandesgericht Hamburg die Veröffentlichung des Romans »Mephisto«.

April 1967: Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki reist zu einem Rundfunk-Interview mit Erika Mann nach Kilchberg.

Oktober 1967: Erika Mann reist nach Berlin und spricht im Fernsehen (SFB) eine Stunde lang zur Einführung für eine Lesung aus dem »Zauberberg«.

Sie bedauert es, dass sie aufgrund ihrer Gehbehinderung nicht an einer Demonstration gegen den Vietnam-Krieg auf dem Kurfürstendamm teilnehmen kann.

20. März 1968: Erika Mann schreibt wegen des »Mephisto«-Verbots vergeblich an Bundespräsident Gustav Heinemann.

1968: Als ihr Cousin Klaus Hubert Pringsheim sie zusammen mit seiner Ehefrau und seiner dreijährigen Tochter Erika Katharina besucht, kommt sie in den Garten und lässt sich am Rand des Swimming Pools von ihm den Bademantel abnehmen. Darunter ist sie nackt.

März 1969: Erika Mann fährt, wie schon häufiger zuvor, nach Klosters in Graubünden.

Sie leidet unter Kopfschmerzen. Bei einer Untersuchung wird ein Gehirntumor festgestellt.

April 1969: Erika Mann wird im Zürcher Kantonsspital operiert.

27. August 1969: Dort stirbt sie.

30. August 1969: Erika Mann wird auf dem Friedhof in Küsnacht neben ihrem Vater bestattet.

Erika Mann: Bibliografie (Auswahl)

  • Rundherum. Das Abenteuer einer Weltreise (mit Klaus Mann, 1929)
  • Das Buch von der Riviera. Was nicht im Baedeker steht (mit Klaus Mann, 1931)
  • Jan’s Wunderhündchen (Kinderstück, 1931)
  • Stoffel fliegt übers Meer (1932)
  • Muck, der Zauberonkel (1934)
  • School for Barbarians. Education under the Nazis (1938); Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich (1938)
  • Escape to Life (mit Klaus Mann, 1939)
  • The Lights Go Down (1940); Wenn die Lichter ausgehen. Geschichten aus dem Dritten Reich (2005)
  • A Gang of Ten (1942); Zehn gegen Mr X (1990)
  • Christoph fliegt nach Amerika (1953)
  • Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater (1956)
  • Briefe und Antworten (Hg.: Anna Zanco-Prestel, 2 Bände, 1984/85)

Literatur über Erika Mann

© Dieter Wunderlich 2008
Hauptquellen:
Anja Maria Dohrmann: Erika Mann. Einblicke in ihr Leben
Irmela von der Lühe: Erika Mann. Eine Biographie
Klaus Mann: Der Wendepunkt
Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts

Heinrich Breloer: Die Manns
Irmela von der Lühe: Erika Mann. Eine Biographie

Klaus Mann (Kurzbiografie)
Klaus Mann: Der Wendepunkt
Gustaf Gründgens (Kurzbiografie)

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Eva Demski entwirft in ihrem Roman "Das siamesische Dorf" eine geheimnisvolle Szenerie, in der vieles unerklärlich und in der Schwebe bleibt.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.