Martin Mosebach : Das Beben

Das Beben
Das Beben Originalausgabe: Carl Hanser Verlag, München 2005 ISBN 3-446-20661-2, 416 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Ein Architekt verliebt sich in die junge, verführerische Frankfurterin Manon, aber als er merkt, dass sie ihn zum Narren hält, nimmt er einen Auftrag in Indien an, um sie zu vergessen. Der verarmte aber selbstherrliche König Maharao von Sanchor möchte sich den heruntergekommenen Palast in ein Luxushotel umbauen lassen, denn er hofft, damit reiche Touristen anlocken und seine Staatskasse wieder füllen zu können ...
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Kritik


In seinem episch breit erzählten Roman "Das Beben" stellt Martin Mosebach die Realität der westlichen Demokratie und ein überkommenes exotisches Königreich gegeneinander.

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Bei dem Ich-Erzähler handelt es sich um einen Frankfurter Architekten, der sich darauf spezialisiert hat, vom Verfall bedrohte Schlösser und Klöster in Luxushotels umzubauen. Er verliebt sich in Manon, die verführerische Tochter eines seiner Vorgesetzten, aber als er merkt, dass sie eine Affäre mit einem berühmten Künstler mit Zügen von André Heller und Friedensreich Hundertwasser hat und ihn zum Narren hält, nimmt er einen Auftrag dänischer Investoren in Indien an, um Manon vergessen zu können.

Bereits am Flughafen von Udaipur trifft der Architekt auf eine heilige Kuh.

Kein Hirte trieb sie, keine Melkerin forderte von ihr, still zu stehen, niemand war durch sie behindert oder gestört oder versuchte, sie anderswo hinzuschieben. Die Welt, die die Kuh am Flughafen umgab, war geschäftig. Autos rollten heran, Gepäck wurde ausgeladen, die lauernden Turbanträger schlenderten heran und trugen Dienste an; die Kuh aber war für diese Leute unsichtbar, so musste sie selbst es verstehen […] Heu oder Gras oder die Büsche der niedergetrampelten staubigen kleinen Anlage am Flugplatz wären eine bessere Nahrung für sie gewesen als der Pappkarton, der laut seiner Aufschrift Tintenpatronen für Kopiergeräte enthalten hatte und jetzt mit Demut und Geduld und, während die lang bewimperten Augen bescheiden über ihn hinwegblickten, eingespeichelt, zerkaut, zermahlen und heruntergeschluckt wurde. Die Fetzen, die von ihm übrig blieben, baumelten aus dem weichen grau-rosa Maul heraus, als wolle die Kuh vorn am Kopf ein Pendant zum Kuhschwanz schaffen […]
Wohin ich mich in den nächsten Tagen auch begab, die Kuh war schon da […]
Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus! Wohl keines unserer Übel würde nicht wenigstens gelindert durch die heilige Anwesenheit der mütterlichen, gedankenversunkenen Tiere. Ich sehe die heilige Kuh auf einer vielbefahrenen Autobahn zwischen Köln und Frankfurt liegen und eine Bild-Zeitung auffressen. Ich sehe unsere beliebtesten und deshalb hassenswertesten Fernsehgesprächsrunden, durch die gemächlich die heilige Kuh schreitet, ein Manuskript des Moderators kauend und eine halbe Stunde lang vor der Linse der Kamera verweilend […] Man stelle sich eine Wahlversammlung vor mit einem berühmten Politiker, von Fähnchen und Lautsprechern eingerahmt, seine kunstvoll kalkulierte Rede routiniert abwickelnd – und vor ihm schreitet bescheiden und würdig und voller Güte eine heilige Kuh vorbei. Wäre nicht, so scheint es mir zwingend, jedes seiner geschliffenen, in Parteigremien prämeditierten Worte augenblicklich geradezu fundamental in Frage gestellt, durch das bloße stumme Vorbeiziehen der Kuh? Nur sehr wenig in unserer Welt würde der Gegenwart der heiligen Kuh standhalten […]

Der Architekt gelangt an den verarmten Hof des Königs Maharao von Sanchor, der glaubt, durch den Umbau des heruntergekommenen Palastes in ein mondänes Hotel könne er reiche Touristen anlocken und seine Staatskasse wieder füllen. Für die Demokratie hat der skurrile Monarch wenig übrig; er will auch nicht der „erste Diener des Staates“ sein wie Friedrich der Große, sondern er zelebriert seine Herrschaft wie etwas Heiliges.

Bevor die Umbaupläne verwirklicht werden können, taucht Manon auf, die dem Architekten gefolgt ist. Der indische König verfällt dem Frankfurter Flittchen auf der Stelle und hält sie für die ideale Frau an seiner Seite. Aber ein Schlaganfall vereitelt seine Absichten …

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In seinem episch breit erzählten Roman „Das Beben“ stellt Martin Mosebach die Realität der westlichen Demokratie und ein überkommenes exotisches Königreich sowie die entsprechenden Kulturen gegeneinander. Er beklagt den Niedergang der Traditionen und kritisiert Künstler, die sich mehr fürs Geschäft als für die Ästhetik interessieren.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag

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