John Grisham : Das Original
Inhaltsangabe
Kritik
Der Raub
F. Scott Fitzgerald starb am 21. Dezember 1940 im Alter von 44 Jahren. Zehn Jahre später vertraute seine Tochter Scottie alle von ihm hinterlassenen Briefe, Notizen und Originalmanuskripte der zur Princeton University in New Jersey gehörenden Firestone Library.
Dort werden 2016 die für 25 Millionen Dollar versicherten handgeschriebenen Manuskripte der Romane „Diesseits vom Paradies“, „Die Schönen und Verdammten“, „Der große Gatsby“, „Zärtlich ist die Nacht“ und „Der letzte Taikun“ von F. Scott Fitzgerald geraubt. Zunächst sorgt der zwei Jahre zuvor aus einem Gefängnis ausgebrochene Tim („Trey“) Maldanado für ein paar Explosionen auf dem Campus und meldet über den Notruf einen Amokläufer. Das Chaos nutzen seine Komplizen Denny Durban, Mark Driscoll und Jerry Steengarden, um unbemerkt zum unterirdischen Tresorraum der Firestone Library vorzudringen. Die Sicherheitssysteme auf dem Weg werden von Ahmed Mansour in Buffalo ausgeschaltet, der sich in den Computer der Princeton University gehackt hat.
Weil Jerry sich am Handgelenk verletzte, finden die Ermittler später Blutspuren von ihm, und ein DNA-Vergleich mit der Datenbank ergibt einen Treffer: Gerald A. Steengarden, vor sieben Jahren verurteilt wegen Gemäldediebstahls bei einem Kunsthändler in Boston. Er wird zusammen mit Mark Driscoll festgenommen.
Ahmed Mansour setzt sich daraufhin über Toronto nach Amsterdam ab. Denny Durban erwürgt Trey, weil er ihn für unzuverlässig hält, versenkt die Leiche in einem See und fährt mit den fünf geraubten Original-Manuskripten von F. Scott Fitzgerald nach Oakmont bei Pittsburgh, wo er sie in ein Mietlager mit kontrollierbarer Temperatur und Luftfeuchtigkeit legt. Dann setzt er sich über Chicago und Mexiko nach Panama ab.
Mercer Mann
Sechs Monate später wird die 31-jährige Literaturdozentin Mercer Mann von Elaine Shelby kontaktiert, die für das private Ermittlungsbüro arbeitet, das von einer Versicherungsgesellschaft in Bethesda/Maryland beauftragt wurde, die fünf Originalmanuskripte von F. Scott Fitzgerald wiederzubeschaffen, bevor die Versicherungssumme gezahlt werden muss.
Elaine weiß bereits, dass Mercers Vertrag am Chapel-Hill-Campus der University of North Carolina in zwei Wochen ausläuft. Die gestohlenen Originale vermutet sie auf Camino Island. Sie bietet Mercer 100 000 Dollar. Dafür soll die Literatin das nächste halbe Jahr auf der Insel vor der Küste von Florida verbringen und den verdächtigen Buchhändler Bruce Cable ausspähen. Weil Mercer ihre Großmutter Tessa Magruder regelmäßig in dem Strandhaus auf Camino Island besuchte, in dem diese als Witwe wohnte, bis sie 2005 im Alter von 74 Jahren tödlich beim Segeln verunglückte, hält Elaine die Literaturdozentin für die ideale Kandidatin, zumal Mercer 2008 einen Roman mit dem Titel „Oktoberregen“ veröffentlichte. Wenn sie in das von der Großmutter hinterlassene Strandhaus ziehen würde, um an einem neuen Roman zu arbeiten, wäre das glaubwürdig.
„Sie haben die perfekte Tarnung. Sie sind praktisch auf der Insel aufgewachsen und Miteigentümerin einer Immobilie dort. Sie haben einen Ruf als Autorin. Ihre Geschichte ist hundertprozentig plausibel. Sie kommen für ein halbes Jahr an den Ort Ihrer Kindheit zurück, um das Buch zu vollenden [ ]“
„Sie sind eine Schriftstellerin, die für ein paar Monate im Strandhaus ihrer Familie lebt. Sie konzentrieren sich auf die Arbeit an Ihrem Roman. Es ist die perfekte Story, Mercer, weil sie wahr ist. Und Sie sind die ideale Besetzung, weil Sie authentisch sind.“
Elaine rät Mercer, sich nicht direkt, sondern auf Umwegen an Bruce Cable heranzumachen, beispielsweise über Myra Beckwith und deren Lebensgefährtin Leigh Trane, zwei zu den engen Freunden des Buchhändlers gehörende Schriftstellerinnen auf Camino Island.
„Wenn Sie die beiden erst einmal kennen, wird es nicht lange dauern, bis Cable sich bei Ihnen meldet.“
Bruce Cable
Bruce Cable war 23 Jahre alt und studierte noch an der Auburn University in Alabama, als sein Vater starb. Im Haus des Toten in Atlanta entdeckte Bruce eine ganze Sammlung von Erstausgaben, einige sogar von den Autoren signiert. Heimlich nahm er 18 der Bücher an sich, bevor seine Schwester Molly eintraf. Er brach das Studium ab und kaufte mit dem geerbten Geld im Sommer 1996 einem frustrierten Buchhändler in Santa Rosa auf Camino Island eine Buchhandlung mit Café ab: Bay Books.
Durch zahlreiche Autorenlesungen und Signierstunden kurbelte Bruce das Geschäft an. Publishers Weekly erklärte Bay Books 2004 zur Buchhandlung des Jahres, und im Jahr darauf wurde Bruce Cable in den Vorstand der American Booksellers Association gewählt. Die 18 Erstausgaben seines Vaters bildeten den Grundstock einer inzwischen mehrere Millionen Dollar teuren Raritätensammlung. Zunächst wohnte Bruce über der Buchhandlung. Dann kaufte er Marchbanks House. Dort zog nach dem Hurrikan Katrina im Sommer 2005 auch Noelle Bonnet ein, eine Antiquitätenhändlerin aus New Orleans. Ihr Geschäft befindet sich jetzt im selben Gebäude wie die Buchhandlung, in deren Keller Elaine die Original-Manuskripte von F. Scott Fitzgerald vermutet.
Mercer undercover
Myra Beckwith und Leigh Trane freuen sich, als Mercer sie anruft und ihnen erzählt, dass sie vorhabe, im Strandhaus ihrer Großmutter an einem Roman zu arbeiten. Bei einem Abendessen bringen sie Mercer nicht nur mit dem befreundeten Buchhändler und seiner Frau, sondern auch mit anderen auf Camino Island lebenden Schriftstellerinnen und Schriftstellern zusammen: Jay Arklerood, Andy Adam, Amy Slater, Bob bzw. J. Andrew Cobb.
Wie mit Elaine abgesprochen, erzählt Mercer dem Buchhändler einige Zeit später, sie habe im Nachlass ihrer Großmutter drei Erstausgaben gefunden, die Tessa 1985 in der Stadtbücherei ihres damaligen Wohnortes Memphis/Tennessee ausgeliehen und nicht zurückgegeben hatte. Mercer tut so, als könne sie zwar das Geld für den Verkauf der Bücher gut gebrauchen, habe aber Gewissensbisse, weil sie ihr eigentlich nicht gehören. Bruce kommt ins Strandhaus, um sich die Bücher anzuschauen, und obwohl Mercer vorgibt, noch unentschlossen zu sein, nimmt er sie mit, damit sie nicht länger dem Tageslicht sowie der feuchten, salzhaltigen Seeluft ausgesetzt sind. Er werde sie in seinen speziell für die Lagerung wertvoller Bücher gebauten Tresorraum legen, sagt er. Als sich Mercer am nächsten Tag bereit erklärt, ihm die Erstausgaben zu verkaufen, nimmt er sie mit in den Keller. Dabei trägt sie eine winzige Kamera. Die Aufnahmen werden später von Elaine und ihren Mitarbeitern ausgewertet.
Die Mittelsmänner
Der 52-jährige Hehler Joel Ribikoff betreibt zur Tarnung die Dumbarton Gallery im Washingtoner Stadtteil Georgetown. Ihm verkaufte Denny Durban nach seiner Rückkehr in die USA die Original-Manuskripte für eine halbe Million Dollar. Inzwischen weiß der Dieb, dass sie ein Vielfaches davon wert sind. Deshalb will er sie zurückhaben. Mit seinem neuen Kumpan Rooker überfällt er Joel Ribikoff in seiner Galerie, und sie foltern ihn, bis er ihnen verrät, in wessen Auftrag er die Manuskripte von F. Scott Fitzgerald erwarb. Dann töten sie ihn.
Als Nächstes suchen sie Oscar Stein auf, den 58-jährigen Inhaber des Old Boston Bookshop und fragen nach den fünf Originalen von F. Scott Fitzgerald.
„Verschwenden wir keine Zeit, Oscar. Ich weiß, dass Sie die Manuskripte für eine halbe Million Dollar gekauft haben. Das Geld haben Sie auf ein Konto bei einer Bank auf den Bahamas überwiesen. Von dort ist es auf ein Konto in Panama gegangen, und da habe ich es abgehoben. Abzüglich Ihrer Provision als Mittelsmann natürlich.“
Oscar Stein, der ahnt, was mit Joel Ribikoff passierte, verrät Denny und Rooker, dass er die Manuskripte dem Buchhändler Bruce Cable auf Camino Island verkaufte und eine Million Dollar dafür erhielt.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Spoiler
Während sich Noelle in Frankreich aufhält, schläft Bruce mit Mercer. Schließlich nimmt er sie mit in den Tresorraum im Keller und zeigt ihr stolz das Original-Manuskript des Romans „Der letzte Taikun“ von F. Scott Fitzgerald.
Elaines Verdacht ist also berechtigt. Mercer könnte Bruce nun ans Messer liefern, aber sie ringt mit sich, denn sie mag ihn. Und was würde im Fall einer Verurteilung zu einer langen Haftstrafe aus der schönen Buchhandlung, den Auftritten von Schriftstellern dort und der passioniert aufgebauten Raritäten-Sammlung werden?
Am Ende teilt sie Elaine dann doch mit, was sie gesehen hat, und Elaine setzt sich mit Lamar Bradshaw in Verbindung, dem Leiter der für Kunstraub zuständigen Abteilung des FBI. Die beiden fliegen sofort von Washington, D. C., nach Jacksonville/Florida, während FBI-Agenten aus dem Büro in Jacksonville bereits den Eingang von Bay Books überwachen.
Eine weitere, in einem Bücherregal versteckte Kamera des FBI wird Denny Durban zum Verhängnis, als er sich eineinhalb Wochen nach der Ankunft auf Camino Island in der Buchhandlung umsieht. Die Bilddaten werden im kriminaltechnischen Labor des FBI in Quantico/Virginia mit einer Gesichtserkennungs-Technologie bearbeitet. Dabei wird der 33-Jährige als Dennis Allen Durban und dritter Dieb der Manuskripte identifiziert. Die Beamten nehmen ihn mit seinem neuen Komplizen fest. Rooker heißt amtlich Bryan Bayer und ist sechs Jahre älter als Dennis Durban.
Bald darauf durchsucht das FBI die Buchhandlung. Die Agenten interessieren sich vor allem für die Schubfächer im Tresorraum. Bruce öffnet das erste davon. Es enthält das Originalmanuskript des 1966 veröffentlichten Thrillers „Dunkler als Bernstein“ von John D. MacDonald, und der Buchhändler versichert, er könne die Rechnung für den Erwerb vor zehn Jahren vorlegen. Auch in den übrigen Schubfächern befinden sich keine Originale von F. Scott Fitzgerald.
Nach Dennys Verhaftung braucht Mark Driscoll im Fall eines Verrats nichts mehr von ihm zu befürchten. Er und sein Anwalt Gil Petrocelli sind deshalb bereit für einen Deal mit der Staatsanwaltschaft. Mark berichtet detailliert über den Raub und nennt die Namen der noch unentdeckten Komplizen Trey bzw. Tim Maldanado und Ahmed Mansour. Man zeigt ihm Fotos von Bryan Bayer, aber den kennt er nicht.
Währenddessen fliegt Bruce Cable von Jacksonville nach Atlanta und von dort weiter über Paris nach Nizza, wo er sich mit Noelle trifft.
In Paris wendet sich der Buchhändler Gaston Chappelle an Thomas Kendrick, einen 48 Jahre alten Partner der Anwaltskanzlei Scully & Pershing und teilt ihm mit, dass er im Auftrag der Person handele, die ihm Besitz der Original-Manuskripte von F. Scott Fitzgerald sei.
„Dieser Mann würde sie Princeton gern zurückgeben, allerdings nicht kostenlos.“
Nachdem er noch einmal darauf hingewiesen hat, dass er nur als Vermittler agiere, nennt er den Preis: 4 Millionen Dollar pro Original.
Thomas Kendrick fliegt nach Newark. Dort trifft er sich mit dem Präsidenten der Princeton University, dem Justitiar Richard Farley, Jeffrey Brown, dem Leiter der Manuskriptabteilung der Firestone Library, Elaine Shelby und Jack Lance, dem CEO der betroffenen Versicherungsgesellschaft. Das FBI wird zunächst nicht eingeschaltet.
Die Übergabe findet in Gaston Chappelles Buchhandlung statt. Thomas Kendrick erhält nach und nach die Originale und bringt sie in die Kanzlei, wo Jeffrey Brown sie prüft. Schrittweise werden insgesamt 20 Millionen Dollar auf verschiedene Nummernkonten unter anderem in der Schweiz überwiesen.
Bruce Cable folgt einige Monate später Mercer Mann in ein Café in der Nähe der Southern Illinois University in Carbondale, wo sie inzwischen lehrt. Wann er begonnen habe, sie zu verdächtigen, fragt sie. Von Anfang an, behauptet er. Deshalb habe er die Originale so rasch wie möglich loswerden müssen. Wäre sie nicht aufgetaucht, würden sie noch immer im Tresorraum der Buchhandlung liegen.
Er drängt Mercer, Camino Island nicht länger zu meiden. Niemand außer ihm und Noelle wisse, dass ihr letzter Aufenthalt nicht nur dazu diente, an einem Roman zu arbeiten. Sie sei jederzeit willkommen.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)John Grishams Markenzeichen sind kenntnisreiche und intelligente Justiz-Thriller. Unter dem Titel „Das Original“ hat er nun etwas völlig anderes geschrieben. Der Roman dreht sich um den fiktiven Raub handgeschriebener Manuskripte von F. Scott Fitzgerald aus der Princeton University. (John Grisham versichert im Nachwort, er wolle gar nicht wissen, wo die Originale dort aufbewahrt werden.) Camino Island ist ebenso fiktiv wie der Tresorraum im Keller der Firestone Library. Statt sich mit dem Justizwesen in den USA auseinanderzusetzen, wie in seinen anderen Büchern, erzählt John Grisham in „Das Original“ von Buchhändlern und Verlegern, Schriftstellern und Bücherliebhabern. „Das Original“ ist eine amüsante Hommage an die Welt der Literatur.
Die Handlung dieses mit leichter Hand geschriebenen Romans ist weniger komplex und ausgeklügelt, als wir es von John Grisham gewohnt sind. Er entwickelt sie zwar als auktorialer Erzähler, wechselt dabei jedoch mehrmals die Perspektive. Mal beobachten wir die Diebe, dann die auf einen Verdächtigen angesetzte Literatin Mercer Mann oder den Buchhändler Bruce Cable. Vielleicht hätte John Grisham auf die eine oder andere Szene besser verzichtet, um Längen zu vermeiden, aber alles in allem ist „Das Original“ eine unterhaltsame Urlaubslektüre.
Den Roman „Das Original“ von John Grisham gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Charles Brauer (ISBN 978-3-8371-4010-1).
Mit „Das Manuskript“ setzte John Grisham 2020 die Handlung des Kriminalromans „Das Original“ fort.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017
Textauszüge: © Wilhelm Heyne Verlag
John Grisham (Kurzbiografie / Bibliografie)
John Grisham: Die Firma
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