Henning Mankell : Der Tod des Fotografen
Inhaltsangabe
Kritik
Im April 1988 wird in Ystad der sechsundfünfzigjährige Fotograf Simon Lamberg in seinem Atelier erschlagen. Hilda Waldén, die seit zwölfeinhalb Jahren dreimal pro Woche bei ihm putzt, findet seine Leiche. Offenbar handelt es sich nicht um einen Raubüberfall, aber ein anderes Mordmotiv lässt sich zunächst auch nicht erkennen. Die Witwe, Elisabeth Lamberg, lebte mit ihrem Ehemann zwar bis zuletzt unter einem Dach, aber die beiden gingen seit Jahren ihre eigenen Wege. Ihre Tochter Matilda, die schwerbehindert geboren wurde, lebt seit 1968 – seit ihrem vierten Lebensjahr – in einem Pflegeheim außerhalb von Rydsgård.
Bei einem nächtlichen Spaziergang beobachtet der pensionierte Bankdirektor Lars Backman bei einem Spaziergang einen Mann, der in das verwaiste Fotoatalier eindringt. Kurt Wallander eilt mit einem Kollegen zum Tatort und verfolgt den Unbekannten, der bei ihrem Auftauchen flüchtet. In einer Nebenstraße wird der Kriminalkommissar von einem kräftigen Schlag ins Gesicht getroffen und verliert vorübergehend das Bewusstsein. Am nächsten Morgen meldet sich eine Frau Simovic bei der Polizei und berichtet, dass ihr um Mitternacht, während sie ihr Kind gestillt hatte, einen Schatten im Garten aufgefallen war. An der Stelle fand sie morgens ein Gebetbuch. Hatte der Flüchtige sich dort versteckt? Aber was kann das Gebetbuch bedeuten?
Bei der nächsten Befragung von Elisabeth Lamberg erfährt Kurt Wallander, dass ihr Mann im Februar oder März 1981 völlig verändert von einer zweiwöchigen Busreise nach Österreich zurückkam. Was da vor sieben Jahren geschehen war, weiß sie jedoch nicht.
Margareta Johansson, die Leiterin des Pflegeheims bei Rydsgård, sagt aus, dass Matilda Lamberg in all den Jahren kein einziges Mal von ihrem Vater besucht worden war. Die Mutter kam regelmäßig vorbei, und seit etwa sieben Jahren tauchte hin und wieder eine unbekannte Frau aus Lund auf, die immer nur wenige Minuten blieb.
In Simon Lambergs Atelier fällt der Polizei ein in Leder gebundenes Fotoalbum mit absichtlich verzerrten Porträts auf. Es handelt sich um internationale Politiker – und eine entsprechend entstellte Aufnahme von Kurt Wallander. Der Fotograf war ein Querulant, der sich im Zusammenhang mit dem unaufgeklärten Mord an Bengt Alexandersson über die Staatsanwältin Kajsa Stenholm und Kommissar Kurt Wallander beschwert hatte.
Vielleicht gibt es heutzutage Menschen, die sich so ohnmächtig fühlen, dass sie sich nicht mehr an dem beteiligen, was wir das demokratische Gespräch zu nennen pflegen. Sondern sich stattdessen Riten zuwenden. (Seite 266)
Das schwedische Reiseunternehmen, mit dem Simon Lamberg 1981 nach Österreich gefahren war, existiert nicht mehr, aber der Polizei gelingt es, den Busfahrer zu ermitteln, der inzwischen als Rentner in Trelleborg lebt. Anton Eklund berichtet Kurt Wallander, Simon Lamberg habe während der Reise eine Affäre mit der Ehefrau eines anderen Reiseteilnehmers angefangen. Anhand der Teilnehmerlisten, die er aufgehoben hatte, kann er die Namen angeben: Louise und Anders Wislander aus Lund. Anton Eklund zeigt Wallander Fotos, die Simon Lamberg damals aufgenommen hatte. Darauf ist das Ehepaar zu sehen. Erwartungsgemäß identifiziert Margareta Johansson auf den Fotos Louise Wislander als die Unbekannte, die seit sieben Jahren mehrmals Matilde Lamberg besuchte.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Anders Wislander wohnt bei Lund und ist Pastor. Seit dem Tod seiner Frau Louise vor einem Monat ist er völlig verstört. Kurt Wallander fährt mit seinem Kollegen Martinsson zu der Adresse. In Wislanders Haus ist niemand, aber in der Kirche stößt Wallander auf den Pastor, der ihn unvermittelt angreift, aber von dem Kommissar überwältigt werden kann.
Es stellt sich heraus, dass Simon Lamberg und Louise Wislander ihr Verhältnis nach der Busreise fortgesetzt hatten. Anders Wislander ahnte nichts davon – bis seine an Leberkrebs erkrankte Frau auf dem Totenbett beichtete. Da rastete der Pastor aus – teils aus Trauer, teils aus Wut – und erschlug den Liebhaber seiner Frau mit einem Leuchter aus der Kirche.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Die fünf in dem Band „Wallanders erster Fall“ zusammengefassten Erzählungen bilden einen Prolog zu der Kriminalroman-Reihe, die Henning Mankell über den Protagonisten Kurt Wallander geschrieben hat: „Mörder ohne Gesicht“ (1991), „Hunde von Riga“ (1992), „Die weiße Löwin“ (1993), „Der Mann, der lächelte“ (1994), „Die falsche Fährte“ (1995), „Die fünfte Frau“ (1996), „Mittsommermord“ (1997), „Die Brandmauer“ (1998). „Wallanders erster Fall“ wurde jedoch erst 1999 – also nach den Romanen – veröffentlicht, um nachträglich die Vorgeschichte der Hauptfigur zu beleuchten.
Was war mit Wallander, bevor die Romanserie beginnt? Also, um Datum und Uhrzeit genau zu bestimmen, vor dem frühen Morgen des 8. Januar 1990. Was war, bevor Wallander an jenem winterlichen Morgen erwacht und der Fall Mörder ohne Gesicht beginnt? Wer war dieser Wallander? In den einzelnen Bänden der Serie finden sich immer wieder Andeutungen. Doch Genaues erfährt man nicht. Wallander kehrt in Gedanken ständig zu dem Tag zurück, an dem er als junger Polizist von einem Messerstecher überfallen wurde, ein Erlebnis, das sein ganzes Leben geprägt hat.
Die vielen brieflichen Anfragen hatten zur folge, dass ich selbst anfing, darüber nachzudenken […]
Wallander ist für viele ein lebendiger Mensch geworden […] Auch wenn alle im Innersten natürlich wissen, dass er nur in der Vorstellung existiert. Aber er hat trotzdem eine Vergangenheit. Er war einmal jung. In diesen Erzählungen versuche ich, einige der frühesten Teile seines Lebens, so wie ich sie mir vorstelle, in das Bild einzufügen.
(Henning Mankell im Vorwort zu „Wallanders erster Fall“)
Seine Ankündigung, mehr über Kurt Wallanders Charakter oder die Ereignisse, die ihn geprägt haben, zu verraten, erfüllt Henning Mankell allerdings nicht. Meilensteine im Privatleben des Kommissars wie die Eheschließung, die Geburt seiner Tochter Linda oder die Scheidung von Mona werden lediglich kurz erwähnt. Über Kurt Wallanders ambivalentes Verhältnis zu seinem Vater erfahren wir nicht mehr als aus den acht Romanen; Erklärungen liefert Henning Mankell nicht. Dazu kommt, dass Kurt Wallander mit einundzwanzig schon genau derselbe Melancholiker zu sein scheint wie mit fünfzig. Eine Entwicklung ist nicht erkennbar. Woher kommen seine Scheu vor engen Beziehungen mit anderen Menschen oder sein Hang zum Einzelgänger? Wir erfahren es nicht.
Wie es die Leserinnen und Leser der Romanserie über Kurt Wallander gewohnt sind, verknüpft Henning Mankell auch in den fünf Erzählungen Kriminalfälle mit Kurt Wallanders Privatleben und der Frage nach bedenklichen gesellschaftlichen Tendenzen.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
Textauszüge: © Paul Zsolnay Verlag
Henning Mankell (Kurzbiografie)
Henning Mankell: Der Sandmaler
Henning Mankell: Mörder ohne Gesicht (Verfilmung)
Henning Mankell: Hunde von Riga (Verfilmung)
Henning Mankell: Die weiße Löwin (Verfilmung)
Henning Mankell: Der Mann, der lächelte (Verfilmung)
Henning Mankell: Die falsche Fährte (Verfilmung)
Henning Mankell: Die fünfte Frau (Verfilmung)
Henning Mankell: Mittsommermord (Verfilmung)
Henning Mankell: Die Brandmauer (Verfilmung)
Henning Mankell: Wallanders erster Fall
Henning Mankell: Der Mann mit der Maske
Henning Mankell: Der Mann am Strand
Henning Mankell: Der Tod des Fotografen
Henning Mankell: Die Pyramide (Verfilmung)
Henning Mankell: Der Chronist der Winde
Henning Mankell: Die rote Antilope
Henning Mankell: Die Rückkehr des Tanzlehrers (Verfilmung)
Henning Mankell: Kennedys Hirn (Verfilmung)
Henning Mankell: Die italienischen Schuhe
Henning Mankell: Der Chinese (Verfilmung)
Henning Mankell: Der Feind im Schatten
Henning Mankell: Erinnerung an einen schmutzigen Engel