Salman Rushdie : Golden House

Golden House
Originalausgabe: The Golden House Random House, New York 2017 Golden House Übersetzung: Sabine Herting C. Bertelsmann Verlag, München 2017 ISBN: 978-3-570-10333-3, 512 Seiten ISBN: 978-3-641-21938-3 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die Handlung dauert von Barack Obamas bis zu Donald Trumps Inauguration. Der steinreiche Bauunternehmer Nero J. Golden bezieht 2009 mit seinen drei erwachsenen Söhnen ein Haus in New York. Der Sohn der Nachbarn Unterlinden nimmt sich vor, über die vier Einwanderer aus Indien und die Russin, die Nero Golden zwei Jahre später heiratet, einen Film zu drehen, aber er bleibt kein unbeteiligter Beobachter, sondern zeugt mit der Ehefrau des alten Mannes einen Sohn ...
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Kritik

Salman Rushdie verwendet für seinen Roman "Golden House" Versatzstücke der Genres Familien- und Gangster­saga, Thriller, Märchen und Mocku­men­tary. Der Plot ist holzschnittartig. Darüber kann die überbordende Zahl von Anspielungen auf Bücher und Kinofilme nicht hinwegtäuschen.
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Neue Nachbarn

Am 20. Januar 2009, dem Tag, an dem Barack Obama ins Amt des US-Präsidenten eingeführt wird, bezieht ein Immigrant Anfang 70 mit seinen drei Söhnen das von da an Golden House genannte Murray Mansion im New Yorker Stadtteil Greenwich Village.

Er nennt sich Nero Julius Golden, aber das ist nicht sein richtiger Name. Seine Ehefrau war bei den Terroranschlägen am 26. November 2008 in Mumbai umgekommen. Sie aß gerade in der Halle des Taj Mahal Palace ein Gurken­sandwich, als die Islamisten das Hotel angriffen.

Die Namen der Söhne lauten in Amerika Petronius („Petya“), Lucius Apuleius („Apu“) und Dionysos („D“). Petya ist 42 Jahre alt, Apu ein Jahr jünger. Ihr Halbbruder D, der seine Mutter nicht kennt, ist erst 22.

Im Nachbarhaus wohnt ein junger Mann, der sich René nennt. (Ob er wirklich so heißt, erfahren wir nicht.) Der Sohn des aus Belgien stammenden Professoren-Paares Gabe und Darcey Unterlinden träumt von einer Karriere als Drehbuchautor und Filmregisseur. Liiert ist er mit der aus Indien stammenden, Musikvideos und Werbeclips drehenden Regisseurin Suchitra Roy. Nachdem er die vier geheimnisvollen neuen Nachbarn kennengelernt hat, glaubt René, sein Thema gefunden zu haben: Er nimmt sich vor, deren Geschichte unter dem Titel „Golden House“ zu verfilmen. Das ist allerdings schwierig, denn keiner der vier Männer redet über die Vergangenheit. Suchitra rät ihrem Freund deshalb, statt eines Dokumentarfilms einen teilweise fiktiven „Spottumentarfilm“ zu drehen.

Als die Goldens mit René Unterlinden und Ds Freundin Riya Zachariassen 2010 Urlaub auf einer Privatinsel vor Florida machen, begegnet der inzwischen 74 Jahre alte Patriarch in Miami der 28-jährigen Russin Vasilisa Arsenyeva – und verliebt sich in sie. Die beiden heiraten einige Zeit später.

Die Söhne

Vasilisa ertappt ihren jüngsten Stiefsohn in ihrem Ankleidezimmer im Golden House. Weil sie begreift, dass er sich für ihre Kleider interessiert, sucht sie ihm eines aus und fordert ihn auf, es anzuprobieren. Da kommt sein Vater vorzeitig nach Hause. Der darf nichts von Ds Neigung mitbekommen. Vasilisa lenkt ihren Mann jedoch sofort ab und ermöglicht es D, das Kleid auszuziehen.

D ist sich über seine sexuelle Identität im Unklaren. Vielleicht wäre er lieber eine Frau, aber vor einer Geschlechtsumwandlung schreckt er zurück. Mitunter fühlt er sich wie Gregor Samsa in Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ und befürchtet, andere könnten bei seinem Anblick „Ungeziefer!“ schreien. Er zieht als erster der drei Söhne zu Hause aus und mietet mit seiner drei, vier Jahre älteren Freundin Riya Zachariassen eine Wohnung in Chinatown. Riyas Vater, ein ehemaliger Pilot, ermordete seine Frau – Riyas Mutter – und ist deshalb in der Clinton Oaks Correctional Facility in Jefferson Heights/Minnesota inhaftiert. Wegen Ds Erektionsstörungen kommt Riya der Sex mit ihm wie lesbisch vor, und das gefällt ihr.

Petya, sein älterer Halbbruder, trinkt zu viel, leidet unter Agoraphobie und Autismus. Aber er entwickelt Computerspiele, mit denen er Millionen verdient. Der mit Hypnose arbeitende Therapeut Murray Lett befreit ihn schließlich von seiner Agoraphobie. Daraufhin umrundet er die Insel Manhattan zu Fuß. Er verliebt sich in die Bildhauerin Ubah Tuur, aber sie zieht seinen Bruder Apu vor, aus dem ein begabter Maler geworden ist. In seiner Eifersucht sinnt Petya auf Rache und zündet die beiden Galerien an, in denen die Werke der Künstler ausgestellt sind.

René Unterlinden

Gabe und Darcey Unterlinden sterben bei einem tragischen Verkehrsunfall. René, der seine Eltern beerbt, verkauft das Haus. Vasilisa Golden unterstützt ihn dabei und lädt ihn ein, wenigstens vorübergehend im Golden House zu wohnen. Im Herbst 2012 zieht er dort ein.

Einige Zeit später zeigt Vasilisa René das Ergebnis einer medizinischen Untersuchung ihres Ehemanns. Dem Seminogramm zufolge kann Nero Golden keine Kinder mehr zeugen. Vasilisa fälscht die Zahlen, um ihm ein gutes Resultat vorzutäuschen. Und sie überredet René, sie an ihren fruchtbaren Tagen in einem 5-Sterne-Hotel zu penetrieren. Nach ein paar Monaten hat sie ihr Ziel erreicht: Sie ist schwanger – und geht daraufhin zum leiblichen Vater des Kindes auf Distanz. Um räumlich in der Nähe bleiben zu können, zieht René als Untermieter zu dem verwitweten, aus Myanmar stammenden Nachbarn U Lnu Fnu, einem früheren Diplomaten.

Der von Vasilisa geborene Sohn erhält den Namen Vespasian („Vespa“ – wie der Motorroller).

Tod der Söhne

Apu Golden reist mit Ubah Tuur nach Mumbai. In der Hotelhalle spricht ihn eine Frau an, die ihn von früher kennt und bei seinem damaligen Spitznamen Groucho ruft. (Petya wurde Harpo genannt, D Chico.) Ein Quartett von Leibwächtern folgt den beiden Touristen überall hin. Ihr Anführer erklärt Apu, sein Vater habe sie beauftragt, für die Sicherheit des Paares zu sorgen.

Ein pensionierter Polizist namens Mastan nimmt Kontakt mit Apu auf und beklagt sich darüber, dass ein von Apus Vater im Spaß „Don Corleone“ genannter Geschäftspartner sein Leben zerstört habe. Als der Polizist sich nämlich nicht korrumpieren ließ und gegen diesen Gangsterboss ermittelte, zogen ihn seine Vorgesetzten ab und ruinierten seine Karriere. Er sei nicht gekommen, um Apu zu drohen, versichert er, sondern um ihn zu warnen: Der Gangster-Organisation fehlten zwar die Mittel, um an seinen Vater in New York heranzukommen, aber in Mumbai sei sie mächtig.

Daraufhin beschließen Apu und Uba Tuur, vorzeitig abzureisen. Vor dem Hotel warten die vier Bodyguards mit drei Limousinen auf sie. Unterwegs eröffnet ihnen der Anführer mit höflichen Worten, dass jemand aus der Stadt mehr als Apus Vater gezahlt habe. Deshalb hätten er und seine Männer die Seiten gewechselt. Apu Golden und Ubah Tuur werden erschossen. Auf diese Weise schickt die von Mr Mastan erwähnte Verbrecherbande Nero Golden eine Warnung.

D donnert sich mit einem scharlachroten Abendkleid auf und erschießt sich im Garten des Golden House.

Petya und sein Therapeut Murray Lett sind unter den Todesopfern eines Terroranschlags auf einen Halloween-Umzug in New York.

Nero Golden bleibt nur noch Vespa – und dieser kleine Junge ist nicht sein leiblicher Sohn. Aber das weiß der alte Mann noch nicht.

Joker for President

Gary Gwynplaine, der Eigentümer des Towers, in dem Nero Golden seine offiziellen Büros gemietet hat, trägt wegen seiner lindgrünen Haare den Spitznamen „Green“. Er selbst nennt sich lieber „Joker“. 2016 kandidiert er für das Amt des US-Präsidenten. Suchitra Roy dreht Spots für seine Gegenspielerin Catwoman, denn Jokers Weltbild deckt sich nicht mit ihrem.

In dieser Blase wandelte sich das Klima nicht, und das Ende der arktischen Eisdecke bot einfach eine neue Gelegenheit für Immobiliengeschäfte. In dieser Blase übten Todesschützen ihr verfassungs­gemäßes Recht aus, aber die Eltern ermordeter Kinder waren unamerikanisch. In dieser Blase würde, wenn seine Bewohner den Sieg davontrügen, der Präsident des südlichen Nachbarlands, das Vergewaltiger und Killer nach Amerika schicke, gezwungen werden, für eine Mauer zu bezahlen, die beide Länder voneinander abschotten würde, um die Killer und Vergewaltiger südlich der Grenze zu halten, wo sie hingehörten, und es gäbe keine Verbrechen mehr; und Massendeportationen wären eine gute Sache, und weibliche Journalisten würden als unzuverlässig angesehen, da ihnen Blut aus dem Wasauchimmer komme; und die Eltern toter Kriegshelden würden entlarvt, für den radikalen Islam zu arbeiten; und internationale Verträge müssten nicht geachtet werden; und Russland wäre ein Freund, und das hätte aber auch gar nichts mit den russischen Oligarchen zu tun, die die Schattenunternehmen des Jokers stützten; und die Bedeutung von Dingen würde sich verändern; vielfacher Bankrott würde als Beweis für großes, unternehmerisches Geschick aufgefasst; und dreieinhalbtausend Prozesse, in denen man der Beklagte ist, würden als Beweis für geschäftlichen Scharfsinn aufgefasst; und der Betrug von Vertragspartnern würde die Geschäftstüchtigkeit eines toughen Mannes beweisen; und eine windige Universität würde sein Engagement für Bildung beweisen; und während der Zweite Zusatzartikel zur Verfassung heilig wäre, wäre es der Erste nicht; somit würden die Kritiker des Anführers die Konsequenzen zu spüren bekommen; und Afroamerikaner würden sich all dem fügen, denn was zum Teufel hätten sie zu verlieren. In dieser Blase war Wissen Ignoranz, oben war unten, und die richtige Person, um die nuklearen Codes in Händen zu halten, war der grünhaarige weißhäutige Kicherer mit dem aufgeschlitzten roten Mund, der ein militärisches Beraterteam viermal fragte, warum der Einsatz von Nuklearwaffen so schlimm sei.

Er war vollkommen und nachweisbar geisteskrank. Das Erstaunliche, das dieses Wahljahr zu einem unvergleichlichen machte, war, dass Leute ihn unterstützten, gerade weil er geisteskrank war und nicht dessen ungeachtet.

Joker prahlt:

„Diese Narren! Ich könnte jemanden auf dem Times Square erschießen und würde nicht eine Stimme verlieren!“

Die Vorgeschichte

Als Vespa zweieinhalb Jahre alt ist, hat sein heimlicher leiblicher Vater René Unterlinden das Drehbuch für den Spottumentarfilm „Golden House“ fast fertiggestellt. Es fehlt nur noch der Schluss.

Mr Mastan meldet sich telefonisch bei Nero Golden und kündigt seinen Besuch für den nächsten Morgen an. Daraufhin ruft der alte Mann Riya Zachariassen an und bittet sie, zu ihm zu kommen. In dieser Nacht legt er vor ihr seine Lebensbeichte ab.

In Mumbai war er zum einflussreichen Bauunternehmer aufgestiegen. Anfang der Siebzigerjahre – als „Der Pate“ ins Kino kam, nahm der spaßeshalber „Don Corleone“ genannte Gangsterboss Sultan Ameer Kontakt mit ihm auf und machte ihn zu seinem bedeutendsten Geldwäscher. Zu Sultan Ameers Netzwerk gehörte auch Indira Gandhis Sohn Sanjay, auf den die Regierungschefin während des Ausnahmezustands von 1975 bis 1977 in Indien hörte. Der ließ Slums in Delhi räumen und versuchte die Wirtschaft zu entwickeln. Weil ihm Sultan Ameer dabei im Weg stand, sorgte Sanjay Gandhi dafür, dass sein früherer Kumpan zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Als Sultan Ameer nach eineinhalb Jahren freikam, war er fromm geworden und distanzierte sich von der Kriminalität.

Sein Zögling Zamzama Alankar übernahm die Verbrecher-Organisation und behauptete sich in einem kurzen Bandenkrieg. Nero Golden wusch auch für ihn Geld in seinen Bauunternehmen und überbrachte korrumpierten Entscheidungsträgern mit Banknotenbündeln gefüllte Koffer.

Zamzama Alankar radikalisierte sich politisch unter dem Einfluss des Predigers Rahman, und als Hindu-Aktivisten am 6. Dezember 1992 dafür sorgten, dass die Moschee in Ayodhya zertrümmert wurde, bereitete er eine Racheaktion vor. Nero Golden musste der Küstenwache Bestechungsgelder bringen, damit das für Anschläge erforderliche Material ins Land geschmuggelt werden konnte. Am 12. März 1993 detonierten 13 Sprengsätze. Dabei wurden 257 Menschen getötet und mehr als 700 verletzt – aber der von Zamzama Alankar angestrebte Bürgerkrieg blieb aus.

Der Strippenzieher setzte sich mit seinem Vertrauten Short Finger ins Ausland ab und führte seine kriminellen Geschäfte aus der Ferne fort. Seine Kontaktleute in Mumbai hießen Big Head und Little Feet. Die beiden trafen sich schließlich mit Nero Golden und beendeten im gegenseitigen Einvernehmen die Zusammenarbeit mit ihm. Sie gingen von da an eigene Wege – unabhängig von Zamzama Alankar.

15 Jahre später, im August 2008, erblickte Nero Golden bei der Rückkehr von einer Geschäftsreise in der Schlange vor der Einreisekontrolle im Flughafen Short Finger und beobachtete, wie genau zur richtigen Zeit die Computer kurz ausfielen, sodass der gesuchte Verbrecher unter den Leuten war, die durchgewunken wurden. Ein paar Stunden später rief Short Finger ihn an und verlangte von ihm, noch einmal die Küstenwachen für die islamistischen Terroristen zu bestechen. Der Anschlag fand am 26. November an zehn Orten in Mumbai statt. Die Gefechte zwischen der Polizei und den zehn Terroristen dauerten drei Tage. Unter den 174 Toten war auch Nero Goldens Ehefrau. Ohne es zu ahnen, hatte er ihren Mördern geholfen.

Später fand man Short Fingers Leiche. Big Head und Little Feet hatten den Mordauftrag erteilt, um Zamzama Alankar wissen zu lassen, dass sie gegen geschäftsschädigende Anschläge waren.

Weil Nero Golden den Islamisten geholfen hatte, fühlte er sich nicht mehr sicher in Mumbai und wanderte mit seinen Söhnen nach New York aus. Leider konnte er Apu und Uba Tuur nicht davon abhalten, nach Mumbai zu reisen. Auch sein Versuch, sie vor der Verbrecher-Organisation zu schützen, schlug fehl.

Als Mr Mastan am nächsten Morgen ins Golden House kommt, wird er nicht nur von Nero und Vasilisa Golden erwartet, sondern auch von Riya Zachariassen und René Unterlinden. Er sei in die USA gekommen, erklärt Mr Mastan, um seine Schwester in Philadelphia zu besuchen und bei dieser Gelegenheit Nero Golden zu warnen: Die Macht der Organisation sei nicht mehr auf Mumbai begrenzt; sie habe inzwischen auch Möglichkeiten für Aktionen in New York.

Ursprünglich wollte sich der pensionierte indische Polizist an dem Geldwäscher des Verbrecherbosses rächen, der sein Leben zerstörte, aber als er den schwachen Greis sieht, tut er ihm nichts. Nero Golden schreit jedoch, Mastan habe sein Leben verwirkt.

Im Film kommt der pensionierte indische Polizeiinspektor in mörderischer Absicht zu dem alten Bastard, er zieht tatsächlich eine Waffe und erschießt ihn, um dann selbst mit der Pistole getötet zu werden, die in der Handtasche der russischen Ehefrau des alten Mannes wartet.
In dem, was ich das reale Leben nennen muss, starb Mr Mastan innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach dem Verlassen des Hauses an der Macdougal Street, er wurde von einem Subway-Bahnsteig vor einen Zug gestoßen, als er auf dem Weg zur Penn Station war, um zu seiner Schwester nach Philadelphia zurückzukehren.

Schluss

Nach der Begegnung mit Mr Mastan verrät René Unterlinden, wer Vespas leiblicher Vater ist. Nero Golden nimmt es gefasst auf. Suchitra Roy trennt sich jedoch von ihrem Lebensgefährten.

Wie Ratten das sinkende Schiff verlassen die Hausangestellten nach und nach das Golden House. Am Ende ist nur noch der Majordomus Michael McNally da. Als dieser gerade Olivenöl in einer Pfanne erhitzt, kommt es bei Straßenarbeiten in der Nähe zu einer Explosion. Die Druckwelle lässt das Küchenfenster bersten, und Michael McNally wird umgeworfen. Für eine Weile verliert er das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kommt, brennt die Küche. Er kann sich ins Freie retten, aber Nero und Vasilisa Golden werden mit dem Kind Vespa und Vasilisas angeblicher Mutter im Obergeschoss von den Flammen überrascht. In ihrer Verzweiflung wirft Vasilisa den Jungen, der am nächsten Tag vier Jahre alt wird, aus dem Fenster. Der 39-jährige Feuerwehrmann Mariano („Mo“) Vasquez fängt Vespa auf. Für die Erwachsenen kommt jede Hilfe zu spät.

Es stellt sich heraus, dass Nero Golden kurz zuvor René Unterlinden als Vespas Vormund einsetzte. Zum Glück versöhnt Suchitra sich mit René, und obwohl es nicht in die Karrierepläne der Filmemacherin passt, erklärt sie sich bereit, mit ihm und Vespa eine Familie zu gründen.

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Salman Rushdie verwendet für seinen Roman „Golden House“ Versatzstücke der Genres Familien- und Gangstersaga, Thriller, Märchen und Mockumentary,

Erzählt wird die Geschichte in der Ich-Form von einem angehenden New Yorker Drehbuchautor, der unter dem Titel „Golden House“ einen Film darüber drehen will. Einige Passagen sind denn auch beinahe wie ein Skript gestaltet. Den wahren Namen des Erzählers erfahren wir nicht. „Nennt mich Ismael“, heißt es in „Moby Dick“, und der Ich-Erzähler in „Golden House“ schreibt: „Nennt mich René“. Dieser Filmemacher fungiert nicht nur als Beobachter der Ereignisse in der Zeit von Barack Obamas Inauguration (2008) bis zu Donald Trumps Amtsantritt (2017), sondern verstrickt sich selbst darin.

Auch einige andere zeitgeschichtliche Tatsachen wie die Terroranschläge in Mumbai in den Jahren 1993 und 2008 hat Salman Rushdie in „Golden House“ eingebaut. Donald Trump wird als Joker dargestellt, und aus seiner Gegenkandidatin Hillary Clinton ist Batwoman geworden.

Die Figuren aus „Batman“ sind nicht die einzigen Anspielungen auf andere Werke. Im Gegenteil: Salman Rushdie türmt Namen von Autoren und Künstlern ebenso wie Titel von Büchern und Filmen geradezu übereinander.

Wenn ich über D in diesem kritischen Augenblick nachdenke, fällt mir Theodor W. Addorno ein […].

Als ich zu Vasilisa Golden sah, deren Gestalt sich vor dem Fenster mit dem winterlichen Hudson dahinter abzeichnete, sah sie für mich wie eine der Leinwandgottheiten aus, die den Filmen, die ich liebte, entschlüpft waren, sie stiegen von der Leinwand in das Kino wie Jeff Daniels in The Purple Rose of Cairo. Ich dachte an Ornella Muti, die Swann in Schlöndorffs Proust-Film bezaubert; an Faye Dunaway als Bonnie Parker, die mit ihrem sinnlichen geschürzten Mund Warren Beattys Clyde Barrow fesselt; an Monica Vitti, die in einem Antonioni-Film erotisch in eine Ecke zurückweicht und No lo so flüstert; an Emmanuelle Béart, mit nichts als ihrer Schönheit bekleidet, in Die schöne Querulantin. Ich dachte an all die Godard-Schauspielerinnen, an Seberg in Außer Atem, an Karina in Elf Uhr nachts und an die Bardot in Die Versuchung, und dann versuchte ich, mich selbst zu rügen, und erinnerte mich an heftige feministische Kritiken der Nouvelle-Vague-Filme, an Laura Malveys „Theorie vom männlichen Blick“ […]. Und auch Mailer kam mir in den Sinn, Gefangen im Sexus […].

Dazu kommen noch Verweise auf die griechische Mythologie und die römische Geschichte, aber auch beispielsweise lange belehrende Passagen über die zahlreichen Arten von Trans- und Intersexualität. Diese überbordende Bildungshuberei wirkt retardierend und kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Plot von „Golden House“ holzschnittartig ist. Salman Rushdie fehlt es in diesem Roman an dem Einfallsreichtum des grandiosen Geschichtenerzählers zum Beispiel in „Die satanischen Verse“ oder „Harun und das Meer der Geschichten“. Kalauer bringt er in „Golden House“ gleich zweimal kurz nacheinander:

[,,,] dem emigrierten Milliardär mit einem dicken Anteil am Silicon Valley und einer Frau mit ebenso einem dicken Anteil an Silikon […]
Der Silicon-Valley-Milliardär mit der Silikon-Frau […]

„Golden House“ dreht sich um Fiktion und Wirklichkeit. Das passt zu den Fake News im postfaktischen Zeitalter. Aber keines der vielen angerissenen Themen wird vertieft. Ebenso wenig leuchtet Salman Rushdie die Charaktere aus. Deshalb bleiben die Figuren Klischees. (Und das korrespondiert wiederum mit der Gleichsetzung der Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump mit Batwoman und Joker.)

Auch hier noch etwas Bildungshuberei: Der Name von Vasilisa Goldens Sohn wurde mit Bedacht gewählt: Der römische Kaiser Vespasian begründete nach Neros Untergang und dem Vier-Kaiser-Jahr 69 die flavische Dynastie.

Den Roman „Golden House“ von Salman Rushdie gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Simon Jäger (ISBN 978-3-8445-2735-3).

Thomas Krupa (Bühnenfassung, Regie) und Hannes Strobl (Musik) adaptierten den Roman „Golden House“ von Salman Rushdie für die Bühne. Die Uraufführung fand am 27. September 2018 im Theater Erlangen statt.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017
Textauszüge: © C. Bertelsmann Verlag

Salman Rushdie (Kurzbiografie)

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.