Melinda und Melinda

Melinda und Melinda

Melinda und Melinda

Melinda und Melinda – Originaltitel: Melinda and Melinda – Regie: Woody Allen – Drehbuch: Woody Allen – Kamera: Vilmos Zsigmond – Schnitt: Alisa Lepselter – Darsteller: Radha Mitchell, Chloë Sevigny, Amanda Peet, Will Ferrell, Jonny Lee Miller, Chiwetel Ejiofor, Brooke Smith, Vinessa Shaw, Wallace Shawn, Josh Brolin u.a. – 2004; 95 Minuten

Inhaltsangabe

Der Autor Max fasst das Leben als Tragödie auf und erzählt zum Beweis, was sich kürzlich in seinem Bekanntenkreis abspielte. Max' Kollege Sy lässt sich davon nicht überzeugen: Er entdeckt vor allem komödiantische Elemente in der Geschichte und gibt nun seine Version zum Besten. In beiden Fällen steht Melinda im Mittelpunkt, eine junge, suizidgefährdete Frau, deren Ehe gescheitert ist. Sie klingelt bei Freunden, die gerade mit Gästen beim Abendessen sitzen ...
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Kritik

Woody Allen entwickelt die beiden Versionen der Geschichte nicht nacheinander, sondern parallel im Wechsel. "Melinda und Melinda" ist eine witzige, ironische, kurzweilige und geistreiche Tragikomödie.
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Drei Männer und eine Frau (Wallace Shawn, Neil Pepe, Larry Pine, Stephanie Roth Haberle) sitzen in einem Bistro in New York und diskutieren darüber, ob das Leben eher als Tragödie oder als Komödie aufzufassen sei. Sy (Wallace Shawn) sieht es als Komödie, aber Max (Larry Pine) widerspricht, und um zu beweisen, dass die meisten Entwicklungen tragisch verlaufen, fängt er zu erzählen an, was sich kürzlich in seinem Bekanntenkreis abgespielt haben soll.

Laurel (Chloë Sevigny) und Lee (Jonny Lee Miller) haben Freunde zum Essen eingeladen. Laurel ist Lehrerin, Lee ein erfolgloser, alkoholkranker Schauspieler, der von klassischen Hauptrollen wie King Lear träumt, aber nur hin und wieder für einen Werbeclip engagiert wird. Bei den Gästen handelt es sich um zwei Paare: Jack und Sally (Matt Servitto, Arija Bareikis), Peter und seine schwangere Frau Cassie (Zak Orth, Brooke Smith).

Es klingelt an der Tür. Draußen steht Melinda Robicheaux (Radha Mitchell) mit zwei Reisetaschen, vom Regen durchnässt, von einer langen Fahrt im Überlandbus erschöpft und nervlich zerrüttet. Ihre früheren Schulfreundinnen Laurel und Cassie umarmen sie zur Begrüßung, aber Lee ist verärgert über das Hereinplatzen der Frau, für die er vor zwei Monaten ein Zimmer für einen längeren Aufenthalt herrichtete, die dann aber nicht kam und sich auch nicht meldete.

Als die anderen Gäste gegangen sind, gesteht Melinda ihrer Freundin Laurel, dass sie eine Affäre mit einem Italiener gehabt habe. Ihr Mann, ein Chirurg, erfuhr davon durch einen auf sie angesetzten Privatdetektiv, reichte daraufhin die Scheidung ein und erstritt vor Gericht auch das alleinige Sorgerecht für die beiden Kinder. Währenddessen wurde Melinda auch von ihrem Liebhaber verlassen. Weil sie nach einem Selbstmordversuch in einer Nervenheilanstalt war, konnte sie vor zwei Monaten nicht zu Laurel und Lee kommen.

Cassie und Laurel wollen Melinda helfen. Um sie mit einem anderen Mann zusammenzubringen, lädt Cassie zu einer Party ein. Einen verwitweten Zahnarzt mit einer Tochter hat sie für Melinda ausgesucht, aber die Konversation zwischen den beiden verläuft holprig, und Melinda fühlt sich stattdessen zu dem afroamerikanischen Musiker Ellis Moonsong (Chiwetel Ejiofor) hingezogen. Melinda gibt ihm ihre Telefonnummer und verabredet sich am nächsten Tag mit ihm. Sie gesteht ihm, dass sie ihren italienischen Liebhaber vorsätzlich mit einer eigens für diesen Zweck gekauften Pistole erschossen habe. Vor Gericht verdrehten ihre cleveren Anwälte die Tatsachen allerdings so geschickt, dass sie mit einer milden Haftstrafe davonkam. Nun glaubt Melinda, mit Ellis ihre große Liebe gefunden zu haben.

Aber das Glück ist nicht von langer Dauer: Melinda belauscht einen Streit, bei dem Lee seiner Frau vorwirft, ihn mit Ellis Moonsong zu betrügen. Cassie versucht Melinda auszureden, dass Ellis ihr untreu geworden sei, aber Melinda überrascht die beiden in Ellis‘ Apartment. In ihrer Verzweiflung will sie vom Balkon springen, und nur mit Mühe kann Ellis sie zurückhalten.

Sy versucht, den drei anderen am Tisch klarzumachen, dass diese Geschichte alle Elemente einer Komödie aufweise – und erzählt seine Version.

Susan (Amanda Peet) ist eine erfolgreiche Filmregisseurin. Um die noch fehlenden 2 Millionen Dollar für ihr neues Projekt mit dem Titel „Die Kastrationssonate“ zu bekommen, hat sie den reichen Immobilienmakler Steve Walsh (David Aaron Baker) und einige andere Gäste zum Abendessen eingeladen. Das Kochen übernimmt ihr Ehemann Hobie (Will Ferrell), ein arbeitsloser Schauspieler, der allerdings in „Die Kastrationssonate“ einen Psychiater verkörpern soll.

Es klingelt. Als Susan die Türe öffnet, taumelt die neue Nachbarin Melinda Robicheaux (Radha Mitchell) herein und stammelt, dass sie 28 Schlaftabletten geschluckt habe und jetzt einen starken Drink benötige. Alle kümmern sich um sie. Darüber vergisst Hobie den Seebarsch, bis Rauch aus der Küche quillt.

Bei Melinda handelt es sich um eine arbeitslose Kunststudentin. Weil sie ihren Ehemann mit einer anderen Frau ertappte, ließ sie sich von ihm scheiden. Susan und ihre Freundin Jennifer (Christina Kirk) nehmen sich vor, sie mit dem reichen Zahnarzt Greg Earlinger (Josh Brolin) zu verkuppeln. Zu diesem Zweck arrangiert Susan ein Wochenende mit Hobie und Melinda in Gregs Traumvilla am Strand.

Wie von Susan erhofft, beteiligt Steve Walsh sich als Co-Produzent an ihrem Filmprojekt. Allerdings besteht er darauf, dass nicht Hobie die Rolle des Psychiaters übernimmt, sondern ein Darsteller, dessen Name dem Kinopublikum bekannt ist.

Hobie verliebt sich in Melinda, aber er will Susan nicht verletzen.

Eines Abends überrascht er Susan mit Steve Walsh im Bett. Susan befürchtet, dass ihr Mann sich auf Steve stürzen könnte und redet beruhigend auf Hobie ein. Der ist jedoch begeistert, denn nun scheint sich alles zum Guten zu wenden.

Sofort ruft er Melinda an und verabredet sich mit ihr, um ihr seine Liebe zu gestehen. Bevor er dazu kommt, erzählt Melinda ihm, dass sie sich in den Musiker Billy Wheeler (Daniel Sunjata) verliebt habe.

Nun geht es nicht mehr darum, Melinda zu ihrem Glück zu verhelfen, sondern den unglücklichen Hobie mit einer anderen Frau zusammenzubringen. Susans Wahl fällt auf die engagierte Republikanerin Stacey (Vinessa Shaw), die sich gerade von ihrem Mann trennte, weil er sie mit ihrer besten Freundin betrogen hatte.

Nachts wird Hobie wach, weil er Geräusche an der Wohnungstüre hört. Er steht auf, nimmt einen Baseballschläger in die Hand und reißt die Türe auf. Draußen steht Melinda. Sie ist verzweifelt, weil Billy sich von ihr trennte. Als Hobie ihr erzählt, er habe von ihr geträumt und liebe sie, wundert sie sich. Damit hat sie nicht gerechnet, aber sie erwidert Hobies Gefühle und weiß, dass sie beide zueinander gehören.

Die vier Intellektuellen in dem New Yorker Bistro können sich nicht darauf einigen, wer recht hat: Max mit seiner These, das Leben sei tragisch oder Sy, der es für vorwiegend komisch hält.

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Ist das Leben komisch oder tragisch? Hat der Einzelne darauf einen Einfluss? Woody Allen geht es in „Melinda und Melinda“ nicht um eine tiefschürfende Antwort auf philosophische Fragen. Stattdessen veranschaulicht er, dass es vom Naturell abhängt, ob man ein und dieselbe Geschichte komisch oder tragisch auffasst. Das hat etwas mit Optimismus und Pessimismus zu tun. Allerdings wirkt die angeblich tragische Version kaum weniger komisch als die andere. Sowohl bei der Komödie als auch bei der Tragödie in „Melinda und Melinda“ handelt es sich um eine tragikomische Parodie. Das wird beispielsweise deutlich, wenn die „tragische“ Melinda gesteht, dass sie nicht nur in der Psychiatrie, sondern auch im Frauengefängnis gewesen sei und ihren Liebhaber vorsätzlich ermordet habe. Woody Allen macht sich mit solchen Übertreibungen über Autoren lustig.

Die Komödie und die Tragödie sind in „Melinda und Melinda“ parallel montiert und in eine Rahmenhandlung eingebettet. Die beiden Versionen der Geschichte werden also nicht nacheinander, sondern abwechselnd entwickelt. Zwischendurch sehen wir auch die vier Intellektuellen im New Yorker Bistro, um die es in der Rahmenhandlung geht.

Woody Allen hat das alles temporeich, witzig, ironisch, unterhaltsam und mit spielerischer Leichtigkeit inszeniert. Ein besonders origineller Einfall beschließt „Melinda und Melinda“: Auf das Leben bezogen, sagt Sy in dem New Yorker Bistro, es gehe ohne Vorwarnung zu Ende. Dabei schnipst er mit den Fingern – und das Bild erlischt abrupt.

Wäre Woody Allen noch jünger, hätte er vermutlich die Rolle des arbeitslosen Schauspielers Hobie selbst gespielt. So hat er sie Will Ferrell überlassen. Die Doppelrolle Melinda ist überzeugend mit der Australierin Radha Mitchell (* 1973) besetzt.

Mit „Der Stadtneurotiker“ und „Manhattan“ traf Woody Allen den Nerv der Zeit. Das gilt für seine späteren Filme nicht mehr unbedingt. In „Melinda und Melinda“ experimentierte Woody Allen mit der Form wie zum Beispiel auch in „Zelig“ und „The Purple Rose of Cairo“. Auch wenn er noch immer jedes Jahr einen neuen, zumeist originellen Film dreht und die Kritiker ihn loben, bleiben die großen Erfolge inzwischen aus. „Melinda und Melinda“ lief selbst in den USA nur in einigen Kinos, und für „Hollywood Ending“ fand sich in Deutschland kein Verleih. Es heißt, „Melinda und Melinda“ habe weniger als 4 Millionen Dollar eingespielt.

Auch wenn „Melinda und Melinda“ nicht Woody Allens bester Film ist, sehenswert ist die geistreiche Tragikomödie allemal.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014

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