Sweet and Lowdown
Sweet and Lowdown
Inhaltsangabe
Kritik
Emmet Ray (Sean Penn) war ein genialer amerikanischer Jazz-Gitarrist in den Dreißigerjahren, nach Django Reinhardt wohl der zweitbeste der Welt. Zeitzeugen erinnern sich an ihn, sein wildes Leben und seine legendären Auftritte.
Wir erfahren, dass Emmet zuerst in Chicago spielte. Aber schon damals brachte er die Manager der Nachtlokale, die ihn engagiert hatten, zur Verzweiflung, weil er entweder gar nicht kam oder zu spät und betrunken. Aber wenn er mit seiner Gitarre auf der Bühne saß und spielte, war alles vergessen.
Weil Emmet nicht nur für seine Alkoholexzesse, sondern auch für Autos, Kleidung und Frauen viel ausgab und obendrein eine Menge Geld beim Poolbillard verlor, reichten die Gagen bei weitem nicht. Um seine Schulden halbwegs in den Griff zu bekommen, betätigte er sich nebenbei als Zuhälter, aber mit seinen beiden Mädchen Iris und Hazel (Kellie Overbey, Constance Shulman) hatte er nicht viel Erfolg, obwohl er in seiner Eitelkeit Geschäftskarten unter den Freiern verteilte.
Wie unter Zwang stahl Emmet beispielsweise einen Silberteller, auch wenn er das Diebesgut anschließend auf der Straße fortwarf. Er saß gern an Gleisen und betrachtete die vorbeifahrenden Güterzüge. Sein liebstes Hobby war es, mit einer 45er auf Müllkippen Jagd auf Ratten zu machen, und er konnte nicht verstehen, dass Ann (Molly Price) oder seine anderen Freundinnen daran keinen Spaß hatten. Er sei gern mit Frauen zusammen, erklärte er Ann, aber als großer Künstler brauche er sie nicht wirklich. „Das heißt aber nicht, dass wir nicht miteinander rummachen können.“ An anderer Stelle sagte er: „Ich mag Frauen. Aber an ihrem Platz.“
Es wird erzählt, dass Emmet während eines Aufenthalts in Europa zweimal Django Reinhardt spielen hörte und beide Male in Ohnmacht fiel. Emmet litt darunter, dass er nicht so gut wie dieser „Zigeunermusiker“ war.
Eines Tages machten Emmet und ein Musikerfreund an einer Promenade Frauen an. Nach einer Reihe von Fehlschlägen trafen sie auf Gracie (Kaili Vernoff) und Hattie (Samantha Morton), die bereit waren, sich mit ihnen einzulassen. Durch einen Münzwurf entschieden die Männer, dass Hattie für Emmet war. Hattie, eine stumme Wäscherin, verliebte sich in Emmet, und er zog einige Zeit mit ihr herum, doch wenn ihm an einem Abend eine andere Frau besser gefiel, drückte der gefühl- und verantwortungslose Egomane Hattie ein paar Dollar für ein Taxi in die Hand und schickte sie allein ins Hotel zurück. Bevor aus der Beziehung Ernst wurde, stahl Emmet sich morgens um 4 Uhr aus dem Bett, legte Hattie 500 Dollar auf den Nachttisch und machte sich davon.
Sein Manager Sid Bishop (Vincent Guastaferro) ermahnte ihn, die Ausgaben einzuschränken, aber als Emmet ein Traumauto entdeckte, musste er es haben. Ein Zufall half ihm: Jemand, der Emmets wunden Punkt kannte, behauptete vor dem Auftritt hinter der Bühne zum Spaß, Django Reinhardt sitze im Publikum. Emmet floh aufs Dach, sprang aufs Nachbarhaus, brach durch das morsche Dach und stürzte in eine Geldfälscherwerkstatt. Die erschrockenen Gauner flohen, und mit den Blüten bezahlte Emmet das ersehnte Fahrzeug.
Das silberfarbene Cabriolet gefiel auch Blanche Williams (Uma Thurman), einer exzentrischen jungen Frau, die Schriftstellerin werden wollte. Emmet ließ sich nicht lange bitten und nahm Blanche in seinem Wagen mit zur nächsten Müllkippe, um Ratten zu schießen. Das war der Beginn einer Affäre zwischen zwei selbstverliebten Pfauen. Aus einer Laune heraus heirateten sie, aber glücklich wurden sie dadurch nicht.
Von einem Bekannten gewarnt, beschattete Emmet seine Frau, als sie angeblich zum Zahnarzt musste und ertappte sie tatsächlich mit ihrem Geliebten, dem Profikiller Al Torrio (Anthony LaPaglia). Während die beiden im Kino waren, versteckte Emmet sich im Fond ihres Wagens. Ohne ihn zu bemerken, fuhren Al Torrio und Blanche los. Unterwegs hielt Al Torrio an einer Tankstelle, um Zigaretten zu kaufen. Die Tankstelle wurde jedoch gerade überfallen und ausgeraubt. Die beiden Gangster sprangen in den geparkten Wagen und rasten los, wurden aber von mehreren Polizeiautos verfolgt und gestellt. Auch Emmet kletterte mit erhobenen Armen aus dem Auto.
Diese Episode wird von manchen als erfunden abgetan. Ihrer Meinung nach sprang auch Emmet aus dem Auto, als das Liebespaar in die Tankstelle ging, stellte die beiden zur Rede und drohte, sich mit seiner 45er zu erschießen.
In einer dritten Variante soll Al Torrio selbst im Beisein von Blanche die Tankstelle überfallen haben. Emmet, der im Wagen die Schüsse hörte, geriet in Panik, setzte sich ans Steuer und raste los. Aber er kam nur zwanzig Meter weit, dann geriet er in den Gegenverkehr und stieß mit einem anderen Fahrzeug zusammen – in dem Django Reinhardt saß. Bei dessen Anblick fiel Emmet wieder in Ohnmacht.
Erst nach der Enttäuschung mit Blanche begriff Emmet, dass es ein Fehler gewesen war, Hatties Liebe zurückzuweisen. Er fuhr zu ihr, passte sie ab, als sie aus der Wäscherei kam und forderte sie auf, mit ihm nach New York zu ziehen. Hattie war jedoch inzwischen verheiratet und hatte ein Kind.
Hier verlor sich Emmet Rays Spur.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Der französische Jazzgitarrist Django (eigentlich: Jean Baptiste) Reinhardt lebte von 1910 bis 1953, revolutionierte trotz einer Brandverletzung an der Hand die Grifftechnik und gilt als einer der bedeutendsten aus Europa stammenden Jazzmusiker. Emmet Ray ist dagegen eine fiktive Figur, auch wenn Woody Allen in „Sweet and Lowdown“ so tut, als habe es ihn wirklich gegeben und sei sein Film ein auf Erinnerungen von Zeitzeugen aufgebautes Porträt. Tatsächlich handelt es sich um ein so genanntes Mockumentary, also die Vortäuschung einer Dokumentation (wie bei „Zelig“ und „Broadway Danny Rose“). Woody Allen reiht Episoden und Anekdoten locker aneinander und fängt damit das Zeitkolorit und die Atmosphäre der Jazz-Szene in den Dreißigerjahren ein, zumal in nahezu jeder Szene entsprechende Musik gespielt wird oder zumindest zu hören ist. Komik, Tragik, Nostalgie und Melancholie sind hier dicht beieinander. Die Relativität der Geschichte deutet Woody Allen verschmitzt an, wenn er von einer der Episoden drei verschiedene Varianten erzählt. Mit der Figur der stummen Hattie spielt er augenscheinlich auf das blinde Blumenmädchen in Charlie Chaplins Stummfilm „Lichter der Großstadt“ an. Für diese Rolle wurde Samantha Morton für einen „Oscar“ nominiert, ebenso wie Sean Penn für die Hauptrolle.
Neben der Filmmusik von Dick Hyman („3:00 am Blues“; „Unfaithful Woman“) und einigen Takten aus dem „Liebestraum Nr. 3“ von Franz Liszt sind folgende Songs in „Sweet and Lowdown“ zu hören:
- Harry Barris, Billy Moll: „Wrap Your Trouble in Dreams“
- Sidney Bechet, Clarence Williams: „Viper Mad“
- Ben Bernie, Maceo Pinkard: „Sweet Georgia Brown“
- Euday L. Bowman: „12th Street Rag“
- Philip Braham: „Limehouse Blues“
- James Brockman, Nathaniel („Nat“) Hawthorne Vincent, James Kendis: „I’m Forever Blowing Bubbles“
- Nacio Herb Brown: „You Were Meant for Me“
- Henry Busse, Lou Davis, Henry Lange: „Hot Lips“
- Irving Caesar, Leonello Casucci: „Just A Gigolo“
- Ford Dabney: „Shine“
- Buddy G. DeSylva: „When Day is Done“
- Buddy G. DeSylva, Al Jolson, Vincent Rose: „Avalon“
- Edwin B. Edwards, H. W. Ragas, Larry Shields: „Clarinet Marmalade“
- Duke Ellington, Juan Tizol: „Caravan“
- Duke Ellington, Irving Mills: „It Don’t Mean a Thing“
- L. Wolfe Gilbert, Moïse Simons, Marion Sunshine: „The Peanut Vendor“
- Stephane Grappelli, Django Reinhardt: „Mystery Pacific“
- Johnny Green, Edward Heyman: „Out of Nowhere“
- James F. Hanley, Ballard MacDonald: „Indiana“
- Will J. Harris, Victor Young: „Sweet Sue, Just You“
- Billy Higgins: „There’ll Be Some Changes Made“
- James P. Johnson: „Old Fashioned Love“
- Isham Jones: „I’ll See You in My Dreams“
- Robert Katscher: „When Day is Done“
- Turner Layton: „After You’ve Gone“
- Jean Lenoir: „Parlez-moi d’amour“
- Lili Uokalani alias Queen Liliuokalani: „Aloha Oe“
- Ray Lodwig: „Since My Best Girl Turned Me Down“
- Gerald Marks, Seymour Simons: „All of Me“
- William H. Monk: „Abide with Me“
- Howdy Quicksell: „Since My Best Girl Turned Me Down“
- Harry Ruby: „Nevertheless I’m in Love with You“
- Bruce Sevier: „Speak To Me of Love“
- Harry Warren: „Lulu’s Back in Town“
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
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