Cassandras Traum

Cassandras Traum

Cassandras Traum

Cassandras Traum – Originaltitel: Cassandra's Dream – Regie: Woody Allen – Drehbuch: Woody Allen – Kamera: Vilmos Zsigmond – Schnitt: Alisa Lepselter – Musik: Philip Glass – Darsteller: Ewan McGregor, Colin Farrell, Tom Wilkinson, Hayley Atwell, Sally Hawkins, Phil Davis u.a. – 2007; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Ian hilft dem Vater in dessen Restaurant, und sein Bruder Terry arbeitet als Automechaniker. Weil das Geld nicht reicht, wird die Familie von einem reichen Verwandten unterstützt. Als Ian sich in eine attraktive Schauspielerin verliebt, gibt er sich als Hotelbesitzer aus, um ihr zu imponieren. Wenn er sie nicht verlieren will, benötigt er Geld – ebenso wie Terry, der beim Poker viel Geld verloren hat, das er sich von Kredithaien lieh. Rettung erhoffen beide von ihrem Onkel Howard, aber der verlangt eine Gegenleistung ...
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Kritik

In "Cassandras Traum", einer Mischung aus Groteske, Psychothriller und Familientragödie, zeigt Woody Allen, wie korrupt Menschen sind. Und das Publikum muss zusehen, wie die Protagonisten ins Verderben laufen.
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Ian (Ewan McGregor) wohnt noch bei seinen Eltern Brian und Dorothy (John Benfield, Clare Higgins) in einem Londoner Vorort und hilft dem Vater in dessen Restaurant. Sein Bruder Terry (Colin Farrell) arbeitet als Automechaniker in einer Werkstatt. Weil das Geld nicht reicht, unterstützt Onkel Howard (Tom Wilkinson), der Bruder der Mutter, die Familie finanziell. Er kann sich das leisten, denn er besitzt in Amerika und Asien mehrere Kliniken für Schönheitsoperationen. Ian spart in der Hoffnung, später durch Investitionen in kalifornische Hotelanlagen viel Geld zu verdienen. Terry setzt das Geld, das er verdient, dagegen bei Hundewetten und Pokerpartien ein. Als er etwas gewinnt, borgen sich er und sein Bruder noch etwas dazu und kaufen von einem Mann (Peter-Hugo Daly) in Brighton ein gebrauchtes Segelboot. Das taufen sie auf den Namen des Hundes, der Terry den Gewinn einbrachte: „Cassandra’s Dream“. Auf ihren ersten Törn nimmt Terry seine Lebensgefährtin Kate (Sally Hawkins) mit, und Ian lädt die Kellnerin Lucy (Ashley Madekwe) dazu ein.

Als Ian später mit Lucy in einem Cabrio unterwegs ist, das zur Reparatur in die Werkstatt seines Bruders gebracht wurde, kommen sie an einer jungen Frau vorbei, die ratlos vor der offenen Motorhaube ihres Autos am Straßenrand steht. Zuerst fährt Ian weiter, aber dann überlegt er es sich anders, kehrt um und bringt den liegen gebliebenen Wagen wieder zum Laufen. Die Besitzerin – sie heißt Angela (Hayley Atwell) und ist Schauspielerin – bedankt sich mit Theaterkarten bei ihm.

Angela, die in dem ernsten Stück jeden Abend nackt auf der Bühne spielt, wird Ians neue Freundin. Um ihr und ihren Freunden vom Theater zu imponieren, benutzt er nicht nur weiterhin teure Autos aus der Werkstatt, sondern gibt auch vor, zwei Hotels in Kalifornien zu besitzen. Das Geld, das er benötigt, um Angela in angesagte Restaurants auszuführen, leiht er sich von seinem Bruder, der 30 000 Pfund beim Poker gewonnen hat und mit Kate ein zum Kauf angebotenes Haus besichtigt.

Kurz darauf verliert Terry beim Poker die 30 000 Pfund und weitere 90 000, die er sich von Kredithaien geliehen hat.

Onkel Howard, der gerade geschäftlich in China zu tun hatte und sich dann noch kurz in Thailand erholte, besucht auf dem Rückweg in die USA die Familie seiner Schwester in London. Ian und Terry setzen alle Hoffnungen auf ihn. Onkel Howard ist zwar bereit, Terrys Schulden zu übernehmen und Ian 100 000 Pfund für Investitionen in Kalifornien vorzustrecken, aber dafür erwartet er eine Gegenleistung: Während ein Gewitter aufzieht, erklärt er seinen Neffen, dass sie Martin Burns (Phil Davis) ermorden sollen, einen ehemaligen Klinikangestellten, der Howards illegale Geschäftspraktiken aufzudecken droht. Howard müsste in diesem Fall mit einer Haftstrafe und dem finanziellen Ruin rechnen.

Die Neffen sind entsetzt. Terry erklärt sofort, er könne niemanden töten. Ian will sich zunächst auch nicht auf das verbrecherische Angebot einlassen, aber er sieht keine andere Möglichkeit, an das Startkapital für eine Zukunft mit Angela zu kommen und überredet schließlich seinen Bruder, eine Schusswaffe zu basteln.

Während Martin Burns‘ Abwesenheit dringen die beiden in dessen Haus ein und warten auf ihn. Er bringt unerwartet eine Frau (Tamzin Outhwaite) mit. Ian wäre bereit, beide zu töten, aber Terry besteht darauf, den Anschlag zu verschieben.

Beim nächsten Mal ist Burns auf dem Weg zu seiner Mutter. Terry meint, man solle ihm die Möglichkeit lassen, ein letztes Mal seine Mutter zu besuchen. Erst als Burns zurückgeht, halten sie ihn auf, und Terry erschießt ihn.

Als Angelas Eltern (Cate Fowler, David Horovitch) nach London zu Besuch kommen, holen Ian und Angela sie vom Zug ab. Angelas Vater, ein Taxifahrer, erzählt dem vermeintlichen Hotelbesitzer, er sei froh, dass seine Tochter einen reichen Freund gefunden und ihr Herz nicht an einen Hungerleider verloren habe.

Der Besitzer eines Jaguars (Matt Bardock) entdeckt beim Abholen seines Wagens in der Werkstatt Beulen in der Karosserie und beschuldigt Terry, heimlich mit dem Auto gefahren zu sein. Daraufhin wird Terry von dem Werkstattbesitzer (Jim Carter) entlassen.

Kate wendet sich an Ian. Sie macht sich Sorgen um Terry. Er findet keinen Schlaf, trinkt noch mehr als bisher [Alkoholkrankheit] und führt Selbstgespräche, denen sie entnimmt, dass er glaubt, er habe jemanden ermordet und teile mit seinem Bruder ein schreckliches Geheimnis. Weil Kate befürchtet, es könne sich um eine Geisteskrankheit handeln, will sie mit Terry zum Arzt. Aber Ian bringt sie davon ab und verspricht ihr, sich um seinen Bruder zu kümmern.

Kurz darauf taucht Terry überraschend bei einer von Ian und Angela besuchten Gartenparty auf. Unter vier Augen kündigt er seinem Bruder an, er werde sich der Polizei stellen, denn er ertrage die Schuldgefühle nicht länger. Ian ringt ihm das Versprechen ab, nichts zu unternehmen, bevor sie nicht noch einmal darüber gesprochen haben.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Onkel Howard, den Ian um Rat fragt, sieht nur eine Möglichkeit: Terry muss zum Schweigen gebracht werden! Ian soll nun auch seinen Bruder umbringen.

Zu diesem Zweck überredet Ian ihn zu einem Segeltörn. In der Kajüte schüttet er unbemerkt ein bereits vorbereitetes Pulver aus zerstampften Schlaftabletten in das Bier, das er für Terry holt. Aber er bringt es nicht fertig, seinen Bruder zu betäuben und zu ertränken. Ian zertrümmert die Flasche, stürmt an Deck und wirft sich zornig auf Terry, der seine Zukunftspläne gefährdet. Terry stößt ihn zurück. Ian stürzt in den Niedergang und bricht sich das Genick.

Die Polizei findet den Toten auf dem Segelboot und vermutet aufgrund der Spuren, dass sich der zweite Mann, der an Bord gewesen war, ertränkte.

Währenddessen sind Kate und Angela ahnungslos beim Shoppen.

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Rechtfertigt der Zweck die Mittel? Wie weit ist man für den eigenen Vorteil zu gehen bereit? Gibt es dabei eine Grenzüberschreitung? Woody Allen zeigt in „Cassandras Traum“, dass Menschen korrupt sind. Angela gibt schamlos zu, dass sie für eine Filmrolle mit dem Regisseur ins Bett gehen würde, es komme nur auf die Rolle, den Typ und die Menge des Alkohols in ihrem Blut an. Ian und Terry lassen sich sogar für einen Mord anheuern. Während Ian glaubt, keine andere Chance zu haben, erklärt ihm Terry, es gebe immer eine Wahlmöglichkeit.

Das Publikum befindet sich ein wenig in der Rolle der griechischen Seherin Kassandra, denn es ahnt von Anfang an, dass der Film tragisch enden wird und muss zusehen, wie die Brüder Ian und Terry ins Verderben laufen.

Woody Allen entwickelt die klar strukturierte Handlung linear-chronologisch und unerbittlich. Zynisch wirkt das Zusammenspiel von komödiantischen und tragischen Szenen. „Cassandras Traum“ ist eine Mischung aus Groteske und Komödie, Psychothriller und Familientragödie. Eine realistische Milieustudie ist „Cassandras Traum“ dagegen nicht, sondern eher eine Parabel.

Anders als sonst setzt Woody Allen hier nicht auf Sprachwitz in den Dialogen. Und statt Jazz wählt er Minimal Music von Philip Glass als Untermalung.

Die Dreharbeiten fanden im Sommer 2006 in London und Brighton statt.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

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